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nebensachen aus mexiko-stadtWenn die Guerilla aus Chiapas marschiert

Zapatour mit Badeordnung

Schwimmen mit Wollmütze sei bei ihnen verboten, meint der Verwalter eines kommunitären Thermalbades in einem Örtchen namens Ixmiquilpan vorsorglich. Ganz so abwegig, wie es zunächst erscheinen mag, ist der Hinweis nicht: Wenn alles nach Plan läuft, werden Ende Februar tatsächlich zwei Dutzend Skimützenträger in dem Wasserpark zu Gast sein. Die Ortschaft nördlich von Mexiko-Stadt ist eine der ersten von insgesamt zwölf Stationen der so genannten Zapatour, bei der die versammelte comandancia der Zapatistenguerilla EZLN – einschließlich des Subcomandante Marcos – durch die Republik tingeln wird, um für indigene Autonomie zu werben (www.ezlnaldf.org). Ohne Knarren, dafür mit einer mehr als zehntausendköpfigen „Leibgarde“ solidarischer Mitmarschierer und mit den Kapuzen über dem Gesicht.

Seit Bekanntgabe der subversiven Wanderroute herrscht größte Verwirrung. Man möge die Maskierten am besten einfach wie „Pilgerer“ behandeln, heißt es etwas ratlos in einer Stadtverwaltung. Andere erwägen gar, einen offiziellen Repräsentanten zum Empfang der illustren Besucher zu entsenden. Der Bademeister von Ixmiquilpan hofft, dass die müden Marschierer sich mit Wonne, wenn auch ohne Wollmütze, in seine heißen Quellen stürzen.

Längst nicht alle aber sind derart begeistert von der wundersamen Wanderung. Sprecher von Unternehmerverbänden mokieren sich über das „Hollywood-Spektakel“ und empfehlen, die Subversiven direkt hinter der chiapanekischen Landesgrenze in den Knast zu befördern. Ohnehin, so die scharfsinnige Analyse des Vorsitzenden eines mächtigen Unternehmerverbandes, sei das Indio-Problem sehr leicht zu lösen: erstens, endlich mit der Sauferei aufhören, raunte der Mann ins Radio-Mikrofon. Zweitens seien „Liebe und Zärtlichkeit“ ratsam, um diese „idiotischen Streitereien“ zu unterbinden, die immer mal wieder ein paar wild gewordene Indios das Leben kosteten. Konservative Parteigenossen von Präsident Fox, der die reiselustigen Rebellen nach erstem Zögern nun geradezu enthusiastisch willkommen heißen will, weigern sich noch immer trotzig, sich „mit Vermummten“ auch nur „an einen Tisch zu setzen“. Und ein Gouverneur des nördlichen Hochlands, ebenfalls ein Parteigänger von Señor Fox, hat kürzlich mit der erstaunlichen Erkenntnis von sich reden gemacht, „genau genommen“ seien die EZLN-Mitglieder allesamt Hochverräter und hätten als solche, so der Landesvater wörtlich, „die Todesstrafe“ verdient. Jenseits von Thermalbad oder Todestrakt wartete der Präsident jüngst mit einer dritten, vermutlich eher metaphorisch gemeinten Alternative zum Verbleib der Zapatistas auf: „der demokratische Schwamm“, so Fox im TV-Interview, werde letztlich auch Marcos und die Seinen aufsaugen. Letztere werden sich unterdessen wohl ins Fäustchen lachen und sich, hoffentlich, auch weiterhin an keine Regel halten – oder höchstens an die Badeordnung. ANNE HUFFSCHMID

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