nebensachen aus kigali : Vom Verschwinden der Moto-Taxis
Motorradtaxis sind die heimlichen Embleme afrikanischer Großstädte. Sie fahren überall hin, sind billig und halsbrecherisch. Nach dem Motto „Die Straße ist ein gefährlicher Ort, also verbringe ich darauf so wenig Zeit wie möglich“, rasen sie herum, wie und wo es ihnen passt, ohne die geringste Rücksicht auf die anderen Verkehrsteilnehmer. Hinten auf dem Sozius, eingezwängt zwischen Fahrerschweiß und Auspuffdunst, erlebt man den Puls afrikanischer Metropolen am eigenen Leib.
Groß daher das Erstaunen neulich in Ruandas Hauptstadt Kigali: Die Motorräder sind weg! In Kigali, seit dem Völkermord von vor zwölf Jahren von 150.000 auf 1 Million Einwohner gewachsen, hatten die „Moto-Taxis“ zuvor zum Straßenbild gehört wie überall sonst. Aber seit einigen Jahren bildet sich die Stadtregierung ein, die wuchernde afrikanische Hauptstadt auf den sieben Bergen müsse es mit Singapur aufnehmen. Die Bürgersteige werden gefegt, und wo es keine gibt, werden welche gebaut, damit man sie fegen kann.
Straßenbäume werden gepflanzt. Verkehrspolizisten kontrollieren, ob die Autofahrer auch angeschnallt sind. Autos halten an Ampeln. Sogar die einmalige, staufördernde ruandische Kreisverkehrsregel, wonach anders als überall sonst auf der Welt der hereinfahrende Verkehr Vorfahrt hat vor dem herausfahrenden, wird beachtet. Und nun gab es nicht einmal mehr Motorradtaxis. Offizielle Begründung: zu gefährlich und zu hartnäckig regelwidrig.
Für die Bewohner Kigalis war das ein Ärgernis nach vielen anderen. Vor einigen Jahren schloss die Stadtverwaltung den wuselnden Großmarkt mitten in der Stadt, und dann untersagte sie auch noch den Straßenverkauf, weil das unordentlich sei. Die Leute sollen in Läden einkaufen wie in Europa, hieß es, und Bäuerinnen mit Gemüse sollen gefälligst an Großhändler verkaufen. Dann wurden im ganzen Land Plastiktüten verboten, aus ökologischen Gründen, was den Warentransport nicht unbedingt erleichtert. Dann schloss die Stadtverwaltung den zentralen Busbahnhof wegen Unübersichtlichkeit und erklärte, die Busse sollten künftig wie in europäischen Großstädten nach festen Linien und Zeiten fahren. Und als der öffentliche Nahverkehr vollends durcheinander gebracht worden war und überhaupt niemand mehr wusste, wie man denn noch einkaufen fahren soll und wohin, wurden auch noch die Motorradtaxis abgeschafft, letzte Rettung des gestressten Kigali-Metropolitaners. Plötzlich war die Hauptstadt aufgeräumt, die Straßen sauber gefegt und leer, und die Leute saßen zu Hause und schimpften.
Einige Wochen später, beim nächsten Besuch in Kigali, dann die Überraschung: Die Moto-Taxis sind wieder da! Große Freude bei den Ruandern. Aber wie immer, wenn Ruandas Regierung etwas Vertrautes abschafft, um es dann höchstselbst wieder einzuführen, ist alles anders als früher. Die Motorradtaxifahrer tragen jetzt alle Uniformen – leuchtend gelb oder leuchtend orange, mit Nummern darauf. Und nicht nur sie selbst tragen Helme, sondern auch für die Passagiere hintendrauf steht ein Helm bereit. Unter der afrikanischen Sonne, auf schwülen Straßen im Stau macht das garantiert großen Spaß, zumal wenn derselbe Helm hintereinander auf Dutzenden schwitzenden Köpfen gesessen hat. Aber immerhin, man leidet für das „neue Ruanda“, wo Sicherheit und Gesetzestreue an erster Stelle stehen. DOMINIC JOHNSON