nebensachen aus bukarest: Wenn die Securitate zweimal klingelt
Jazz-Kenner und Straßenkehrer
B. hatte jahrelang darauf gewartet, dass die allmächtige und allwissende Securitate eines-Tages-eines-Nachts an seine Tür klopfen würde. Nicht, dass er sich für einen Regimegegner hielt. Er war einfacher Physiker, der manchmal Ceaușescu-Witze erzählte und ansonsten am liebsten Jazz hörte und Musikkritiken schrieb. Aber sein Vater war einst ein hoher kommunistischer Funktionär gewesen und dann in Ungnade gefallen.
An einem Herbstnachmittag des Jahres 1974, B. war 28 Jahre alt, klingelte es: ein Offizier der Securitate. Nach einigen Drohbemerkungen, die beweisen sollten, wie viel das Organ über B. wusste, kam der Offizier zur Sache: Er wolle sich ein wenig über die mit B. befreundeten Jazzliebhaber unterhalten. B. war bereit: „Ich kann Ihnen viel erzählen, Sie müssen mir nur versprechen, dass meine Freunde nicht erfahren, dass ich sie denunziert habe.“
Gierig lächelnd gab der Offizier sein Wort. B. packte nun über den Präsidenten des Jazzklubs aus. Dieser sei ein vorzüglicher Kenner der Jazzgeschichte, leider aber ignoriere er den Freejazz. Vielleicht könne die Securitate, die gewiss über alle Tendenzen im Jazz bestens informiert sei, Einfluss auf ihn nehmen. Oder aber der Swing-Musiker R., der angefangen habe, Klavier spielen, anstatt bei seinem Instrument, dem Kontrabass, zu bleiben. Er, B., fände es angebracht, wenn die Securitate diesbezüglich auf R. Druck ausüben würde. Der Offizier verabschiedete sich mit der nervösen Bemerkung, dass es ein außerordentlich interessantes Gespräch gewesen sei.
Elf Jahre später klingelte es zum zweiten Mal an B.s Tür. Ein Securitate-Offizier forderte B. auf, den geheimen, staatsfeindlichen Nachlass seines Vaters herauszugeben. B. antwortete mit kalter Logik: „Es gibt zwei Möglichkeiten: Existiert der Nachlass nicht, sind Ihre Bemühungen überflüssig. Existiert er, gibt es wiederum zwei Möglichkeiten: Entweder bin ich feige oder mutig. Wenn ich feige bin, habe ich den Nachlass verbrannt. Wenn ich mutig bin, habe ich ihn ins Ausland geschmuggelt, um ihn zu retten. Auch in diesen beiden Fällen sind Ihre Bemühungen sinnlos. Guten Tag, mein Herr!“
Fortan belästigte die Securitate B. nicht mehr. Kürzlich konnte B. seine Securitate-Akte einsehen. Aus dem Opferteil erfuhr B., dass im Jahr 1988 die groß angelegte „Aktion Besen“ gegen ihn lief. B. hatte sich bei einem patriotischen Zwangsarbeitseinsatz zur Straßenreinigung mit einem Besen in der Hand fotografieren lassen. Daraufhin hatte ihn die Securitate monatelang überwachen lassen, um zu verhindern, dass er mit der Fotografie außer Landes fliehen würde, um Rumänien in der Weltpresse zu kompromittieren. Die Aktion war ein voller Erfolg.
B. fand auch folgende Aussage in seiner Opferakte: „Das Objekt verzog vor drei Jahren in das Drumul-Taberei-Viertel. Bisher gelang es nicht, die Adresse zu erfahren.“ Beim Lesen des zweiten Teils seiner Akte stellte B. fest, dass er unwissentlich acht Jahre lang Spitzel gewesen war. Kurz nach dem zweiten Klingeln an seiner Tür entließ ihn die Securitate jedoch ohne sein Wissen. Zur Begründung war zu lesen: „Auf den informellen Mitarbeiter ‚Bucur‘ wird verzichtet, weil er nicht weiß, dass er informeller Mitarbeiter ist, keine Verpflichtungserklärung unterzeichnet hat und von ihm keine Informationen erhalten wurden.“
KENO VERSECK
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