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nebensachen aus brüsselGeschichten einer fleißigen Stadtverwaltung

WENN DER BRAUNE UMSCHLAG KOMMT

Den Umschlag brachte ein älterer Herr, Typ gemäßigter General i.R., Lächeln, Kaschmirmantel. Der Umschlag war für meinen Mann, persönlich. Der war nicht da, und so nahm der General den Brief wieder mit. Abzuholen bei der zuständigen Polizeidienststelle. Geheimnisvoll.

Braune Umschläge verwendet die Stadtverwaltung. Es ist nicht ratsam, sie unbeachtet zu lassen. Sie entwickeln dann ein Eigenleben. Also machte sich mein Mann am selben Tag auf den Weg. Er kam sehr beschwingt zurück. Schwenkte einen Brief des Bürgermeisters mit Amtssiegel – seine Ausweisung. Sein Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung vom 3. September 99 sei nun abgelehnt, „und es wird der Antragsteller aufgefordert, das Territorium innerhalb von 30 Tagen zu verlassen“.

Auf der Wache hatten die Gendarmen gemeinsam mit dem Delinquenten den Brief studiert wie einen guten Witz. Kein Wunder, dass illegal in Belgien lebende Nichtschengener berichten, die Polizei hier sei großzügig wie nirgendwo sonst in Europa. Wer seine Zeit mit der Zustellung von Ausweisungsbescheiden an EU-Ausländer verbringt, dem kommt das Gefühl für drinnen und draußen abhanden. Nachforschungen ergaben: Mein Mann hatte seinen belgischen Journalistenausweis nicht verlängern lassen. Somit lag der Nachweis für eine regelmäßige Tätigkeit im Königreich nicht vor – also ab nach drüben.

Zwei Wochen später war ich mit einem braunen Umschlag dran. Dabei kann ich gar nicht ausgewiesen werden, weil es mich nicht gibt. Seit dem Tag im letzten Sommer, als mein Mann morgens leichten Schrittes zur Stadtverwaltung eilte und sich abends als gebeugter Mensch zurückschleppte, ohne seinem Ziel – der Legalisierung – näher gekommen zu sein, stand mein Entschluss fest: Ich bleibe illegal.

Tatsächlich wollte die Stadtverwaltung nur mitteilen, meine acht Monate zuvor beantragte Umbaugenehmigung sei eingegangen. Das Dossier sei vollständig. (Ich erinnerte mich dunkel an eine Szene im Sommer, wo mir der Architekt mit stummer Duldermiene 37 Kopien seiner mehrseitigen Pläne vorgelegt hatte: 37 Unterschriften und noch viel mehr Paragraphen).

Der nächste Umschlag kam wenige Tage später. Mein Dossier sei an eine Abteilung weitergereicht worden, die in noch höherem Maße dafür zuständig sei.

Das wird nun Monate lang so weitergehen. Oder ich werde nie wieder etwas von ihnen hören. Leider gibt es noch eine dritte Möglichkeit. Manchmal, ganz selten, schlägt die Schludrigkeit um in unerbittliche Strenge. Die Kunst besteht darin, rechtzeitig zu bemerken, wenn der Ton der amtlichen Schreiben ätzend wird. Die meisten, die lange in Belgien leben, erlernen das.

Ein Bekannter von mir hat zum Beispiel neulich die eingeforderte Gebühr für sein Autoradio inklusive Zinseszinsen bezahlt. Er hatte die Mahnungen so lange ignoriert, bis der Gerichtsvollzieher Anstalten machte, seine Lieblingsbücher in Kartons fortzuschleppen. Da gab er ihm einen Scheck über die geforderte Summe inklusive aller Bearbeitungsgebühren.

Warum er es so weit hat kommen lassen? Der Mann wohnte noch nicht lang in Belgien und war in seinem alten Denken gefangen. Wieso soll ich, schrieb er der Stadt, für ein Autoradio bezahlen, wo ich doch weder Führerschein noch Auto besitze? Auf den Brief bekam er nie eine Antwort. DANIELA WEINGÄRTNER

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