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nato-konzept vor gerichtDas Urteil als Mittel der Politik

Das Bundesverfassungsgericht hat es dem Parlament erspart, nachträglich dem neuen Konzept der Nato zustimmen zu müssen, das militärische Einsätze außerhalb des Bündnisgebietes erlaubt. Das ist wirklich schade. Das Schauspiel eines neuerlichen Eiertanzes der Grünen und der verbliebenen SPD-Linken hätte man sich gerne noch einmal gegönnt. Gewiss wäre das Thema bei vorhersehbarem Ergebnis erneut zur Schicksalsfrage hochstilisiert worden. Darüber hinaus hätte eine Zustimmung des Parlaments zum neuen Nato-Konzept – zweifelt jemand an einer eigenen Mehrheit der rot-grünen Koalition? – endgültig mit der politischen Lebenslüge aufgeräumt, es handele sich bei jedem Einzelfall um eine jeweils einmalige Ausnahme.

Kommentarvon BETTINA GAUS

Auch ein anders lautender Richterspruch wäre ohne politische Konsequenzen geblieben. Es ist nicht vorstellbar, dass eine Mehrheit des Bundestages eine Ausweitung der Nato-Aufgaben grundsätzlich abgelehnt hätte. Schließlich haben die Abgeordneten dieser Ausweitung in konkreten Fällen schon mehrfach zugestimmt – weshalb sich eben auch nicht die CDU, sondern mit der PDS die einzige außenpolitische Opposition um die juristische Klärung der parlamentarischen Kompetenzen bemüht hat.

Wenn eine bestimmte Entscheidung politisch gewollt ist, dann lässt sie sich juristisch allemal begründen. Das haben die Verfassungsrichter schon 1984 bewiesen, als sie erklärten, warum der Ersatzdienst länger dauern müsse als der Wehrdienst, obwohl genau das vom Grundgesetz verboten wird. Auch nichtjuristisch lässt sich bekanntlich jede Entscheidung rechtfertigen: Ausgezeichnet sei die Antwort, dass der Dreißigjährige Krieg 15 Jahre gedauert habe, sagte der Lehrer zum leicht verblödeten Kronprinzen. Schließlich wurde ja nur am Tage und nicht in der Nacht gekämpft.

Festzuhalten bleibt: Die Nato hat sich vom Prinzip der Territorialverteidigung verabschiedet. Das Bündnis darf das, was es unter seinen Sicherheitsinteressen versteht, weltweit und über den klassischen Verteidigungsfall hinausgehend verfolgen. Wer darin lediglich eine Fortentwicklung des Bündnisvertrages und keine zustimmungsbedürftige Änderung sieht, der sollte konsequenterweise in der Scheidung nur eine Fortentwicklung der Ehe und im Tod nur eine Fortentwicklung des Lebens sehen. Pantha rei – alles fließt halt irgendwie. Erfahrungsgemäß allerdings nicht bergauf, sondern bergab.

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