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nachgefragtStreit um eine Zeichnung in einer Traueranzeige

Wie pietätlos ist ein Fahrrad?

Ein Fahrrad, Bücher und Tanzschuhe – diese drei Symbole für Dinge, die ihr im Leben viel bedeutet haben, wollte Karin H. in ihrer Traueranzeige abgebildet wissen. Das hatte sie mit ihrer Bestatterin etwa zwei Wochen vor ihrem Tod besprochen.

Vor zehn Tagen ist Karin H. an Krebs gestorben. Ihre zurück gebliebenen Freundinnen beauftragten ihrem Wunsch gemäß Weser-Kurier und taz, die Traueranzeige mit der gewünschten Zeichnung (siehe Abbildung unten) abzudrucken. Sie stießen auf unerwartete Widerstände: Die Anzeigenleitung der Zeitung war nicht bereit, die Zeichnung abzubilden, so dass die Anzeige am 10. Oktober mit Freifläche statt Fahrrad erschien.

Florence Payne, eine der empörten Feundinnen von Karin H., berichtet: „Als ich vom Weser-Kurier wissen wollte, was das Problem ist, habe ich niemanden erreicht, der es mir hätte erklären können. Die, mit denen ich gesprochen habe, spekulierten, die Zeichnung könnte Geschmacksgrenzen überschreiten.“ Entnervt schrieb Payne einen Brief, in dem sie ihr Befremden ausdrückte: „Das häufige Nebeneinander von Traueranzeigen und Einladungen zum Saufgelage zu runden Geburtstagen gibt m. E. eher zu Kritik Anlass.“ Auch andere Freundinnen von Karin H. drückten ihre Missbilligung in einem Brief aus und drohten, die Zeitung nicht länger zu lesen. Hundert Menschen unterschrieben die Zeilen.

Auf Nachfrage der taz beim Weser-Kurier, nach welchen Maßstäben die Anzeigenleitung den Abdruck von Bildelementen in Todesanzeigen bewertet, wollte Anzeigenleiter Egon Hoppe sich nicht äußern. Das sei „eine Sache zwischen uns und der Auftraggeberin“. Niedergeschriebene Richtlinien, wie Todesanzeigen auszusehen haben, gebe es nicht.

Die Bestatterin Cordula Caspary wundert sich über derartige Vorgänge. „Ich erlebe Bremen als recht liberal, was Bestattungskultur angeht. Das Friedhofsamt versucht, alles möglich zu machen, was eben geht.“ Die Schwierigkeiten mit der Zeichnung versteht sie nicht: „Die ist weder rassistisch noch pornographisch.“ Vor kurzem habe sie eine Todesanzeige für einen Taxifahrer gesehen, in der der Name des Verstorbenen auf ein Nummernschild gedruckt war.

Der Protest hat offenbar Eindruck gemacht. David Koopmann, Leiter der Marketingabteilung der Bremer Tageszeitungs AG, zu der der Weser-Kurier gehört, hat inzwischen erklärt, man habe befürchtet, andere Anzeigenkunden könnten die Zeichnung als nicht passendes Umfeld für ihre eigenen Annoncen empfinden. Die Anzeigenabteilung selbst habe kein Problem mit der kleinen Figur. Jetzt ist es möglich: „Wenn die Auftraggeberin es wünscht, drucken wir die Anzeige am kommenden Samstag noch einmal vollständig ab.“ Heute ist es soweit. Karin H.s Traueranzeige erscheint vollständig.

ube

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