merz auf cdu-parteitag: Rechte Brillanz gefährdet Merkel
Gestern trat Angela Merkel zum ersten Mal als Quasi-Kanzlerkandidatin auf. Auf dem Bildungsparteitag der CDU. Selbst wenn der unionsinterne Kampf „Wer tritt gegen Gerhard an?“ noch nicht entschieden ist: Im Moment ist die Frau aus dem Osten in der aussichtsreichsten Position. Und „Angie“, wie sie viele ihrer Fans am liebsten nennen, macht ihre Sache gut: Sie ist wendiger, als ihre parteiinternen Gegner gehofft hatten. Sie gibt sich moderner, als es sich der rot-grüne politische Gegner wünschen würde. Und sie hat, anders als die meisten ihrer Kontrahenten, einen ungekünstelten direkten Draht zu den Menschen. Angie for Kanzleramt!
Kommentarvon CHRISTIAN FÜLLER
Das Problem von Merkel heißt jedoch Friedrich Merz. Obwohl es zunächst nicht so aussieht, als müsste sie den Fraktionschef als Konkurrent ernst nehmen. Denn der hat inzwischen die unbeschwerte Eloquenz verloren, die ihn so auszeichnete, als er sich noch einzig auf die Finanzpolitik kaprizieren konnte. Heute stolpert Merz so hilflos durch seine Redemanuskripte, dass selbst freundlich gesinnte CDU-Zuhörer verächtlich raunen. Auch gestern bewegte sich Merz so kantig am Pult, als sei er ein Breakdancer, der die falsche Geschwindigkeit gewählt hat. Merz nervt in solchen Momenten sich selbst vielleicht am meisten.
Immer öfter findet der Fraktionschef aus der Unsicherheit heraus, ausgerechnet mit konservativen Parolen und Zuspitzungen, die nicht mehr nur als Populismus durchgehen können. Auf dem Bildungsparteitag fand Merz erst Halt bei „unseren Themen, den zentralen Fragen der Innen-und Rechtspolitik“. Da plädiert er für eine, wie er es nennt, präventive Videoüberwachung der öffentlichen Plätze. Big Brother – bei Merz vergisst man die Idioten im Container: George Orwell ist wieder da.
Bei diesen Themen findet Merz, und das macht ihn so gefährlich, schnell zu seiner schneidend rechten Brillanz zurück. Neonazis dürfen nicht mehr durchs Brandenburger Tor marschieren, skandiert er. Wer wollte dem widersprechen? Schon schlägt er vor, das Demonstrationsrecht zu ändern, sprich: zu verschärfen, und die Delegierten bejubeln die Verfassungsänderung, die dazu nötig wäre. Egal, ob Nationsbegriff, Homoehe, nationale Interessen in der Außenpolitik – Friedrich Merz tendiert stets zum rechten Rand.
So macht Merz Merkel nicht nur die Führungsrolle streitig – er verhindert auch ihren liberalen Kurs. Die CDU muss sich bald entscheiden: Merkel oder Merz.
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