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Archiv-Artikel

merkel in der türkei Der etwas andere Beitritt

Es kommt immer wieder vor, dass Auslandsreisen von Politikern weniger der Pflege auswärtiger Beziehungen dienen als dem heimischen Publikum eine Botschaft vermitteln sollen. Der Besuch von Angela Merkel gehört in diese Kategorie. Die Botschaft heißt: Wir sagen der Türkei endlich die Wahrheit – dass in Europa kein Platz für euch ist. Merkel und Stoiber hoffen, damit in den kommenden Wahlkämpfen punkten zu können. Das hat mit einer verantwortungsvollen Außenpolitik nichts zu tun, wie selbst die Außenpolitiker der Union öffentlich kritisieren. Daran ändert auch der inhaltsleere „dritte Weg“, den Merkel in Ankara offerierte, nichts.

KOMMENTAR VON JÜRGEN GOTTSCHLICH

Dass Merkel trotzdem in der Türkei mit großer Aufmerksamkeit empfangen wurde, hat einen anderen Grund. Der türkische Ministerpräsident Erdogan und Außenminister Gül möchten, dass ihre Partei, die aus einer islamischen Tradition kommende AKP, in die Eurpäische Volkspartei (EVP), den Zusammenschluss der konservativen und christdemokratischen Parteien, aufgenommen wird. Nachdem Gül bei der EVP vorgefühlt hat, weiß er, dass die CDU über die Schlüsselstellung für eine schnelle Annäherung verfügt. Deshalb hat Merkel in Ankara neben Regierungsvertretern auch Parteileute getroffen. Deshalb wird sie auch von Erdogan hofiert.

Mit der Zusammenarbeit der Parteien setzen Erdogan und Gül auf einen langfristigen Effekt. Träte die AKP der EVP bei, käme sie auch mit den anderen europäischen konservativen Parteien in ein dauerhaftes Gespräch. Zugleich würde der politische Dialog, der vermutlich in der Entdeckung überraschend vieler Gemeinsamkeiten besteht, durch die persönlichen Kontakte erweitert. Auch die CDU würde sich auf Dauer schwer tun, eine Partei, mit der sie innerhalb der EVP freundschaftlich verbunden ist, als große Gefahr von außen zu denunzieren. Wandel durch Annäherung heißt das, und dieses Vorgehen hat sich schon andernorts als effektiv erwiesen.

Das Interesse der AKP stößt bei der CDU auf offene Ohren. Sie verfügt derzeit über keinen Ansprechpartner im türkischen Parteienspektrum, während die Sozialistische Internationale wenig Berührungsängste zeigte. Außerdem braucht die CDU Wege aus der Totalopposition, wenn die EU Beitrittsgespräche aufnimmt und die CDU in Deutschland Regierungspartei wird. So hat Merkel einer engeren Parteikooperation zugestimmt.

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