meinungsstark:
Chemnitz ist eine gespaltene Stadt
„Die Erfolge der AfD in Sachsen: Das große Muffeln“,
taz vom 4. 10. 21
Ich bin Sachse, Geograf, 42 Jahre alt, habe in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Rheinland-Pfalz gelebt und wohne seit einem Jahr wieder in Chemnitz. Ihr Artikel ist grundsätzlich korrekt, blendet aber einiges aus. Ich bin Dorfkind, in den Neunzigern in der sächsischen Dorfpunkszene sozialisiert, ja, die gibt es – heute würde man Bubble sagen. Wir waren damals schon ständig konfrontiert mit Neonazis. Chemnitz ist noch heute geprägt von einschlägigen Szenen – politische Einstellungen werden häufig modisch dargestellt: Punks und Nazis. Das habe ich in anderen deutschen Städten in den letzten Jahren kaum erlebt. Chemnitz ist in Verruf geraten, ich weiß – die Realitäten hier vor Ort sind andere, siehe Bundestagswahl (gespaltene Stadt, trotzdem rot!). Ihr Artikel zeigt sicherlich, dass nicht jeder AfD-Wähler Nazi ist – und das ist eine absolut korrekte Einschätzung. Ihr Artikel zeigt auch die Frustration, aber nicht die Gründe: Ignoranz der jahrelang regierenden CDU gegenüber rechts? Wegzug der jungen Bevölkerung? Bildungsdefizite? Wendefrust? Toll entwickelte Orte gegenüber abgehängten Orten? Fahren Sie mal nach Glauchau – oder in andere Kleinstädte – Sie werden sehen, dass die eine Stadt nach der Wende eventuell erfolgreich war und die Nachbarstadt nicht. Im Erzgebirge werden Sie Autos mit Reichskriegsflagge statt des EU-Zeichens auf dem Nummernschild finden. Zeigen Sie Rechte, Linke, die Mitte – suchen Sie nach echten Antworten. Ich suche selbst danach und habe sie noch nicht gefunden.
Danke, dass dieser Artikel ohne pauschales Sachsen-Blaming auskommt! Rick Voigtländer, Chemnitz
Sechs Stunden lang kein Shitstorm!
„Ausfall von Facebook und Co.: Ursache war wohl interner Fehler“, taz vom 5. 10. 21
Uups … war da was? Etwa 3,5 Milliarden Menschen konnten die drei Messenger-Dienste Facebook, WhatsApp und Instagram am Montag nicht nutzen? Ist das nicht grauenvoll? Sechs Stunden lang kein Shitstorm, keine Fake News, kein sinnfreies Gebrabbel irgendwelcher Dullies. Wenn Sie mich fragen, kein Beinbruch. Bitte mehr davon! Achim Bothmann, Hannover
Der Meta-Verriss: #allesaufdentisch
„Prominente gegen Coronapolitik: Ein zweiter Versuch. Erst #allesdichtmachen, nun #allesaufdentisch: Künstler:innen und Wissenschaftler:innen verbreiten wirre Skepsis gegen die Coronamaßnahmen“, taz vom 2. 10. 21
Über drei Spalten gelingt es Claus Leggewie nicht, auf auch nur ein einziges sachliches Argument von #allesaufdentisch einzugehen, stattdessen konstatiert er in einer Art Meta-Verriss: Alles schon mal gehört, die übliche wirre Querdenkerei, irrelevant. Es scheint ihm nicht aufzufallen, wie sehr genau diese Art ignoranter Berichterstattung die Berechtigung dieser Aktion unterstreicht. Es scheint weiter nicht aufzufallen, wie sehr die Weigerung von Leuten wie Harald Lesch, sich den Fragen der Aktionisten zu stellen, die Kritik am einseitigen Diskurs bestätigt und diskursive Parallelgesellschaften begünstigt. Was hätte es Lesch und Co gekostet, sich dort zu äußern? Stattdessen wittert Leggewie einen billigen Trick, das Establishment vorzuführen. Und es fällt Leggewie auch nicht auf, dass seine Argumentation, Wissenschaft bedeute jahrzehntelange Empirie und Peer Review, in Sachen Corona komplett nach hinten losgeht, weil ja genau dieser Standard in der Kürze der Zeit nachweislich gar nicht eingehalten werden konnte. Wie überhaupt die offensichtliche Stoßrichtung von #allesaufdentisch weniger eine Befruchtung des wissenschaftlichen als vielmehr des allgemeinen gesellschaftspolitischen Diskurses und eine Kritik daran ist. Wenn dann Leute außerhalb ihrer eigentlichen künstlerischen Begabung versuchen, den Job der Journalisten zu machen oder sie wenigstens daran zu erinnern, dann fällt den solchermaßen Ertappten nichts anderes als überhebliche Stilkritik ein. Dass so etwas ausgerechnet in der taz … ach, lassen wir das!
Stephan Krüger, Nehren
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