meinungsstark:
Auch wir trennen Familien
„Die Kinder der Anderen“, taz vom 30. 6./1. 7. 18
Natürlich stimme ich Dirk Knipphals zu, der der amerikanischen Politik ein Armutszeugnis ausstellt für ihre komplett unmenschliche Praxis, an ihrer Grenze zu Mexiko sogenannte illegal Eingewanderte ins Gefängnis zustecken; aber diese Variante, die Kinder ihren Eltern wegzunehmen und andernorts in Heimen oder Pflegefamilien unterzubringen, kommt mir nicht weniger human vor als die aktuelle Variante, Eltern und Kinder gemeinsam in den Knast zu sperren.
Wir Deutschen sollten uns hüten, voll Abscheu auf die angeblich herzlosen Amis zu zeigen, die aus der Geschichte nichts gelernt haben, denn letztlich verhalten wir uns nicht anders: Wir trennen Familien auf nicht absehbare Zeit, indem wir den familiären Nachzug aussetzen oder die Anträge quälend langsam bearbeiten, so dass jene Männer, die es bis zu uns geschafft haben, jahrelang von ihren Frauen und Kinder getrennt leben müssen, was bei allen Betroffenen zu psychischen Beeinträchtigungen führt.
Obendrein gucken wir tatenlos zu, wie Männer, Frauen und Kinder im Mittelmeer erbärmlich umkommen, weil wir sie nicht an Land lassen und bei uns aufnehmen wollen. Auch durch den Tod werden Kinder gewaltsam von ihren Eltern getrennt. Kirsten Diercks, Hamburg
Weg vom neoliberalen Pflegesystem
„Schafft die Pflegeversicherung ab“, taz vom 30. 6./1. 7. 18
Liebe taz, der Kommentar von Christoph Lixenfeld ist eine gute Provokation, geht aber trotzdem in die falsche Richtung. Wie der Autor gut zeigt, ist das eigentliche Problem der Pflege – wie auch des Gesundheitswesens – weniger die Versicherung, sondern die weitgehend privatwirtschaftliche Erbringung von Leistungen.
Nur mehr Geld in die Systeme zu kippen, gleich woher es kommt, erhöht nur die Gewinnerwartungen der Investoren und ändert nicht zwingend etwas an der Situation der Pflege, der Pflegenden und der Gepflegten.
Zugegeben, eine Abkehr von dieser neoliberal geprägten Organisationsstruktur ist eine viel größere Aufgabe als die Änderung der Finanzierung, aber nur damit wäre eine langfristig am Wohle der Menschen orientierte Pflege in kommunaler Hand möglich. Uwe Janssen, Leinfelden-Echterdingen
Darf der das?
„Die Arbeit an dem, was Identität ist“,
taz vom 30. 6./1. 7. 18
Liebe tazler, Eure umfangreiche und sehr interessante Berichterstattung rund um diesen Themenbereich „Identität“ lese ich immer sehr aufmerksam.
Ich wünsche mir, Ihr macht mal ein „taz Thema“, wo alle Menschen zu Wort kommen können, denen es nicht so leicht fällt, sich zu „verorten“: Ich bin ein Mann, stehe auf Frauen. Also hetero!? Aber so einfach ist die Sache eben nicht.
Erstens fühle ich mich zuallererst als Mensch, zweitens habe ich oft in meinem Leben die Erfahrung gemacht, mein Fühlen, Denken und Handeln ist eher weiblich. Ich lasse mich sehr ungern in meiner Freiheit einschränken und Konventionen unterwerfen, in denen ich keinerlei Sinn sehe. So lackiere ich mir sehr gern die Fußnägel bunt und trage im Sommer gern bunte Röcke. (Ich mag einfach bunte Farben und das schöne Gefühl, den Wind auf meiner Haut zu spüren.)
Aber als ich neulich ebenso in die U-Bahn einstieg, verstummte eine Kita-Gruppe in der Bahn, und alle Kinder schauten irritiert auf meine Füße, und ein Mädchen meinte mit Empörung in der Stimme zur Betreuerin: Der Mann hat bunte Fußnägel, darf der das? Da war ich schon etwas erschrocken, ich dachte, in Berlin seien wir schon etwas weiter.
In Schweden gibt es schon seit langem ein drittes Geschlecht, „Hen“, dem sich frei jeder zuordnen darf, der sich nicht dem weiblichen oder männlichen zuordnen möchte, und es zeigt sich bereits in der Kita, dass bestimmte Farben, Spielzeuge und Verhaltensweisen, die bei uns noch typisch Mädchen oder Junge sind, dort für alle ganz selbstverständlich okay sind. Matthias Backes, Berlin
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