love parade überlebt: Deutsches Brauchtum
Die Welt ist um ein Ritual ärmer. Alle Jahre wieder hob ein Zittern und Bangen an: Wird die Love Parade dieses Jahr genehmigt oder nicht? Und darf sie ihrem geplanten Parcours folgen? Die Unsicherheit gehörte längst dazu, damit ist es erst einmal vorbei. Die Termine der Technoparade stehen bis 2006 unumstößlich fest, genauso wie der Streckenlauf. Gestern unterzeichneten das Land Berlin und der Veranstalter Planetcom die entsprechende Vereinbarung, ein Geschenk zum Fest der Liebe.
Kommentar von ANNE HAEMING
Vielleicht ist das Ritual ja für immer gestorben – der Blick auf die Fieberkurve der Besucherzahlen der vergangenen Jahre lässt den Exodus ahnen. Ganze 500.000 Seelen fanden dieses Jahr den Weg zu „Access Peace“, nicht mal halb so viele wie noch 1999.
Und 2006? Entweder es kommen nur noch die 150 Freaks, die schon beim ersten Mal dabei waren; oder aber die Love Parade festigt sich in ihrer Rolle als Kultparty, wird endlich Teil des deutschen Gemüts. Das würde vielleicht auch dem rituellen Krisengeschrei das Maul stopfen, die alljährlichen Aufgeregtheiten um Verwüstung! Pisse! Lärm! hätten ein Ende. Nehmt es hin, lasst sie doch tanzen, die armen Irren.
Sie bringen schließlich die Berliner Kassen zum Klingeln. Denn fürs Großreinemachen müssen künftig die Veranstalter zahlen. Zusätzlich hat Planetcom jetzt satte 125.000 Euro beim Notar deponiert, zu verwenden für potenzielle Partyschäden. Und weniger tanzende Touristen sichern mehr Rabatten das Überleben.
Zumindest fürs Ausland gehört die Love Parade längst genauso zum deutschen Kulturgut wie der Weihnachtsmarkt. Beide haben mit der ursprünglich dahinter stehenden Idee nichts mehr zu tun. Beide sind kommerzielle Abziehbilder ihrer selbst. Und beide verkünden in Großbritannien, Südafrika oder Kanada die Botschaft deutschen Brauchtums.
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