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löhneBremen liegt ganz hinten

Frauen verdienen immer noch viel weniger als Männer. Das Problem ist bekannt, aber dem Senat fehlt das Bewusstsein und er fühlt sich machtlos

Selbständig, aber arm: Denkmal für die Gemüsehändlerin Metta Cordes (1815 - 1905) in der Knochenhauerstraße Bild: Chris Ruschin

Das Problem ist komplex und beständig, der Fragenkatalog dazu lang, die Antworten eher dünn - die CDU-Fraktion hat mittels großer Anfrage einiges vom Senat zu Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen wissen wollen, heute wird darüber in der Bürgerschaft debattiert. Es dürfte - abhängig von der rhetorischen Brillanz der CDUler - eine muntere Plenarsitzung werden, denn in seiner Antwort gibt sich der Senat wenig kreativ und machtlos.

Die Fakten ergeben ein bestürzendes Bild, von Geschlechtergerechtigkeit kann längst noch keine Rede sein: In Deutschland verdienen Frauen 23 Prozent weniger als Männer, in der EU sind es 15 Prozent. Bremen rangiert beim Städtevergleich ganz hinten: Frauen verdienen im Durchschnitt 24 Prozent weniger als Männer; andere Berechnungen kommen auf 30 Prozent.

Dünn ist es, was dem Senat zu den Fragen der CDU einfällt - Gründe etwa für den überdurchschnittlichen Lohnunterschied in Bremen? Außer bundesweit geltender Ursachen schlicht: "keine". Möglichkeiten zur Ursachenanalyse in Bremen? Weil es ein bundesweites Phänomen sei, "sollte die Ursachenanalyse vorrangig auf Bundesebene erfolgen". Initiativen von Privatwirtschaft und Landesregierung zur Angleichung der Gehälter? "Gibt es derzeit nicht", das sei Sache der Tarifvertragsparteien.

Wer sich in Bremen mit Gleichstellungspolitik beschäftigt, staunt über solche Antworten oder ist schlicht empört. Regine Geraedts etwa, bei der Landesfrauenbeauftragten zuständig für "Arbeit und Wirtschaft" sieht sehr wohl Anlass zu einer Studie, "die für Bremen herausarbeitet, warum Bremen im Vergleich zu anderen Ballungsgebieten schlechter dasteht" - auch wenn es sich bei dem Lohnunterschied nicht grundsätzlich um ein bremisches Problem handele. "Wir wollen mehr wissen, um handeln zu können", sagt Geraedts. Sie hat auch einen Vorschlag, was Regierung und Unternehmen gemeinsam tun könnten: In einem Pilotprojekt sollten Firmen Lohndaten geschlechtsspezifisch sortiert regelmäßig für Analysen zur Verfügung stellen. Auf Bundesebene werde das derzeit mit vier Unternehmen gemacht, "warum nicht auch hier, um mehr zu erfahren", fragt Geraedts. Allerdings müsste sie arge Zweifel haben, ob der Senat tatsächlich reif für solche Maßnahmen ist, wo ihm doch vielleicht das Problembewusstsein fehlt: Im Bereich "Schlachten und Fleischverarbeitung", schreibt der Senat in der Antwort auf die CDU-Anfrage, betrage der Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern circa 15 Prozent und liege damit "nicht eklatant unter dem Männerverdienst". Gereadts findet das "empörend".

Bei der Arbeitnehmerkammer verweist die Referentin für Gleichstellungs- und Geschlechterpolitik, Margareta Steinrücke, auf die Kultur langer Arbeitszeiten, die in Deutschland mehr als in anderen Ländern gepflegt werde. Für Frauen, die oft in Teilzeit arbeiteten und Kinder versorgen müssten, sei das ein Ausschlussgrund, wenn es um Beförderung in höher dotierte Jobs gehe.

Steinrücke schlägt vor, "in Bremen einen gesellschaftlichen Diskurs gegen die langen Arbeitszeiten anzuzetteln", um das Bewusstsein dafür zu schaffen, wie nachteilig diese Kultur für Frauen ist, die auch in ihrem Beruf etwas werden wollen. In den Niederlanden etwa geht es gerechter zu, weil dort auch Männer vermehrt in Teilzeit tätig sind. Immerhin: Nach Gesprächen mit Handels- und Handwerkskammer sowie Wirtschaftssenator Ralf Nagel habe man den Eindruck, die Herren interessierten sich für das Thema. Und was die Sprecherin von Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) verkündete, klingt nicht so schlecht: Der Senatorin sei das Thema wichtig, man arbeite fleißig daran - aber es sei eben auch sehr komplex.

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2 Kommentare

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  • GR
    Gunnar-Eric Randt

    Was denn noch?

    Wird die Vergütung Gendergerecht vorgenommen - gejammere!Welche Unternehmer sollen das finanzielle Risiko, dass Frau beispielsweise auf Grund ihrer Schwangerschaft und Erziehungszeiten für lange Zeit dem Unterehmen nicht zur Verfügung steht und der Arbeitsplatz mit der nur vorübergehenden Besetzung durch vielleicht sogar noch qualifiziertere aber nur zeitweise zu beschäftigende Arbeitnehmende erhalten werden muss, allein schultern? Den Unternehmern wäre es sicherlich auch lieber, hier auf Dauer einen qualifizierten Arbeitnehmer mit entsprechender Vergütung zu beschäftigen, als sich auf dauernd wechselnde oder später auf Grund ihrer Mutterschaft sich nicht weiter fortgebildenden und daher weniger qualifizierten Arbeitnehmerinnen einlassen zu müssen.

     

    Geht doch mit Frauen einfach so um, wie mit Menschen mit Schwerbehinderungen! Diese werden in der Regel zunächst einmal einfach gekündigt und müsen sich in jahrelang andauernden Prozessen ihren Arbeitsplatz und die entganene Vergütung zurück erkämpfen - sofern der Einzelne von Ihnen genug Rückgrat hat. Hilfe, gerade auch im ach so familienfreundlichen öffentlichen Dienst beispielsweisem, wird diesen Menschen auch nicht zu Teil.

     

    Im Vergleich zu Menschen mit Behinderungen, die auf Grund ihrer Erkrankungen auf Dauer - zumeist auf Lebenszeit - eingeschränkt sind, sind Mütter doch gesunde Menschen, denen es leichter fallen dürfte, sich am Arbeitsmarkt neu zu orientieren.

     

    Viel wichtiger wäre es, jedem Arbeitnehmer das gleich Nettoeinkommen zukommen zu lassen. In diesem Zusammenhang stellt sich Arbeitnehmern die Frage, worin die Steuergerechtigkeit begründet liegt. Dass ein Arbeitnehmer, bei gleichem Tarif und dem selben Arbeitszeitaufwand weniger Geld netto verdient, als derjenige, der seinem Privatvergnügen "Familie" frönt, ist eine viel größere Ungerechtigkeit, als die, dass dem Arbeitsmarkt nur unstetig zur Verfügung stehende Frauen, die Mütter werden, neben der Jobgarantie über den Mutterschutz auch noch mehr Geld zukommen lassen zu wollen.

     

    Gunnar-Eric Randt, Bremen

  • A
    albino

    Ich frage mich, warum immer nur über die Minderverdienste von Frauen geklagt wird, nicht aber über die viel gefährlicheren und belastenderen Berufe von Männern. Und auch die Tatsache, dass teilzeitbeschäftigte Männer bis 18 Wochenstunden Arbeitszeit im Schnitt 22 Prozent weniger verdienen als Frauen, ist unseren Genderpolitikern und -politikerinnen schnuppe.

    Geschlechterpolitik in Deutschland ist und bleibt reine Frauenpolitik.