liebeserklärung: Das „Väterchen“
Präsident Alexander Lukaschenko hält die Belaruss*innen nun seit 26 Jahren fest umklammert. Inzwischen ist er vollständig von der Realität abgekoppelt
Das belarussische Volk kann sich glücklich schätzen, hat es doch mit Alexander Lukaschenko einen weisen Staatslenker, der sein Volk abgöttisch liebt – und das schon seit 26 Jahren. Doch die Menschen sind seit mehreren Wochen dabei, sich aus diesem Klammergriff zu befreien.
Deswegen ist Lukaschenko seit dem 9. August dazu übergegangen, es seinen Landsleute mal so richtig zu besorgen – mit Fäusten, Schlagstöcken und allem, was es sonst noch so gibt, um Gewaltfantasien auszuleben. Doch auch das ruft offensichtlich bei den Untertanen keine Zuneigung mehr hervor. Deshalb lässt das „Väterchen“, das sich mittlerweile vollständig von den Realitäten abgekoppelt hat, jetzt noch härtere Geschütze auffahren.
Auf einem Frauenforum „Für Belarus“ ließ er am Donnerstag „die schönsten, progressivsten und patriotischsten Menschen“ (ein bisschen Sexismus darf es schon sein) an seinen Überlegungen teilhaben. Er rief die Litauer*innen und Pol*innen auf, ihre unklugen Politiker*innen zu stoppen und keinen „heißen Krieg“ gegen Belarus zuzulassen. Dieses Szenario halluziniert Lukaschenko schon seit Längeren herbei: Dass diese beiden Staaten, Mitglieder in der EU und der Nato, die Messer wetzen und nur darauf warten, beim Nachbarn einzufallen. Der Westen ist ja ohnehin immer schuld, wenn sich in der ehemaligen Sowjetunion Unmut regt.
Um einen möglichen Angriff abzuwehren, will Lukaschenko die Grenzen zu Polen und Litauen schließen lassen. An den Schlagbäumen zur Ukraine, die schon länger mit westlicher Dekadenz infiziert ist, soll schärfer kontrolliert werden. Das Projekt ist ambitioniert. Dafür sollen einige Vaterlands- beziehungsweise Lukaschenko-Verteidiger*innen aus den Städten abgezogen und an die Grenzen abkommandiert werden.
Da stellt sich doch gleich die Frage: Wer soll dann die Demonstrant*innen in gepanzerte Mannschaftswagen zerren? Vielleicht schlägt jetzt doch die Stunde freundlicher Nachbarschaftshilfe. Die Russen wollen für ihr Geld (1,2 Milliarden Euro Kredit) schließlich auch ein wenig Spaß haben. Einen gewissen Sinn für Humor zeigte auch der ukrainische Innenminister Arsen Awakow. Lukaschenko rede Unsinn. Er solle sich beruhigen und einen Wodka trinken. Doch auch das dürfte wohl nicht mehr helfen. Barbara Oertel
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