liebeserklärung: Der Wahlcomputer
Bei der Stimmenauszählung der Hessenwahl gab es gravierende Pannen. Tja, Menschen sind nun mal fehlbar. Wer Wahlchaos vermeiden will, sollte besser auf Computer setzen
Keine Frage, es gibt durchaus gewichtige Einwände gegen den Einsatz von elektronischen Wahlgeräten. Aber wer sich das Chaos bei der hessischen Landtagswahl anschaut, der sehnt sich schon nach einer etwas verlässlicheren Stimmenerfassung.
Von Wahlcomputern ist jedenfalls bislang nicht bekannt, dass sie Ergebnisse von Parteien vertauschen, Stapel mit Stimmzetteln vergessen oder Zahlen verdrehen. Allein in Frankfurt sollen etwa 2.000 Stimmen nicht oder falsch erfasst worden sein. In 28 der 373 Frankfurter Wahllokale musste das Wahlamt das Ergebnis korrigieren. Nun sollen bis zum 16. November die Resultate aller 55 Wahlkreise in Hessen überprüft werden. Noch sind Auswirkungen auf die Sitzverteilung im neuen Landtag nicht absehbar. Fest steht aber wohl jetzt schon, dass sich die Grünen zu früh über ihren 94-Stimmen-Vorsprung vor der SPD gefreut haben. Wie auch immer: Was für ein Desaster!
Hessen ist kein Einzelfall. Denn das Problem ist: Menschen sind fehlbar. Geradezu legendär ist die Kommunalwahl in Köln 2014. Da hatte die SPD völlig überraschend ein Ratsmandat in einem eigentlich als konservativ geltenden Stadtteil gewonnen, was entscheidend war für die damalige rot-grüne Ratsmehrheit. Allerdings gab es Zweifel. Denn das Merkwürdige war, dass in dem ausschlaggebenden Briefwahlbezirk bei den zeitgleich abgehaltenen Wahlen zum Europaparlament und zur Bezirksvertretung die CDU weit vor der SPD lag, also WählerInnen genau andersherum votiert hatten. Trotzdem war die SPD gegen eine Überprüfung. „Im Sport würde man sagen: Es ist eine Tatsachenfeststellung“, befand der damalige SPD-Ratsfraktionschef. Ein Jahr dauerte das Gezerre, bis dann doch noch eine gerichtlich angeordnete Neuauszählung stattfand. Das Ergebnis: Die WahlhelferInnen hatten tatsächlich die Stapel von SPD und CDU bei der Ratswahl verwechselt.
Die Provinzposse wäre Köln erspart geblieben, hätte das Bundesverfassungsgericht nicht 2009 entschieden, dass der Einsatz von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005 verfassungswidrig war. Denn seitdem wird auch in der Domstadt wieder ganz traditionell per Hand ausgezählt. Bei den zehn Wahlen zuvor waren hingegen Wahlcomputer eingesetzt worden – ganz ohne Wahlchaos. Pascal Beucker
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen