lexikon der globalisierung : Was sind eigentlich Finanzmärkte?
Finanzmärkte sind grundlegende Einrichtungen jeder Geldwirtschaft. Auf ihnen werden externe Finanzierungen organisiert und Gelder Ertrag bringend angelegt. Darüber hinaus können dort Risiken durch Termingeschäfte abgesichert werden. Hauptakteure sind Banken, Börsen und Großanleger wie Investment- oder Pensionsfonds und Versicherungen (institutionelle Anleger).
Die Finanzmärkte sind in den vergangenen beiden Jahrzehnten sehr viel schneller gewachsen als Produktion und Handel. Ihre strukturelle Entwicklung ist durch eine Verschiebung zur Wertpapierfinanzierung – vor allem über Anleihen und Aktien – gekennzeichnet: Damit diese funktioniert, müssen die Finanzmärkte liquide sein.
Neben dem Markt, auf dem Wertpapiere erstmals ausgegeben und gekauft werden (Primärmarkt) muss es einen Sekundärmarkt geben, auf dem bereits ausgegebene Wertpapiere, deren Finanzierungsfunktion also abgeschlossen ist, gehandelt werden. Dieser Sekundärhandel, macht ein Vielfaches des Primärhandels aus. Er erfolgt oft nicht mit Blick auf zukünftige Dividenden- oder Zinseinkommen, sondern in Erwartung von Kursänderungen der Wertpapiere.
Diese Finanzspekulation ist ein wesentlicher Motor der Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten; sie führt zu massiven Überhitzungen und plötzlichen Zusammenbrüchen. Die Ursache der übergroßen Liquidität auf den Finanzmärkten ist die langfristige Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in den Industrieländern bei gleichzeitiger Umverteilung der Einkommen zugunsten der Gewinne.
Weil diese wegen unzureichender Nachfrage nicht produktiv reinvestiert werden, strömen sie auf die Finanzmärkte. Seit der Liberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs haben das Tempo auf den Finanzmärkten und die Zahl der Finanzkrisen stark zugenommen.
Um die Finanzmärkte auf ihre ökonomischen Finanzierungs- und Vermögenssicherungsfunktionen zurückzuführen, sollten ihr Aktivitätstempo (z. B. durch eine Devisentransaktions-oder Tobinsteuer) gedrosselt und riskante Geschäfte durch eine härtere Finanzaufsicht eingeschränkt werden.
Vor allem aber ist es erforderlich, durch eine andere Wirtschafts- und Verteilungspolitik dafür zu sorgen, dass die sozial und volkswirtschaftlich schädliche falsche Verteilung gar nicht erst entsteht. Diese ist der Grund für die Fehlentwicklungen der weltweiten Finanzmärkte.
JÖRG HUFFSCHMID
Das Lexikon erscheint immer montags in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Beirat von Attac.