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Archiv-Artikel

leserinnenbriefe

Bedrohung für Freiheitsrechte

■ betr.: „Schweizer lassen nur noch Kirchen ins Dorf“,taz vom 30. 11. 09

Auch wenn jetzt nach dem Debakel der Volksabstimmung zum sogenannten Minarettverbot viele hoffen, dass der Europäische Gerichtshof diesen eklatanten Verstoß gegen die Menschenrechte korrigieren wird, bleibt der Schaden groß. Fakt ist, dass die Mehrheit der Stimmbürger die Volksinitiative gegen den Bau von Minaretten angenommen hat. Vorurteile gegen Muslime sind auch in der Schweiz weit verbreitet. Dabei geht es weniger um rechtliche Einschränkung bestimmter religiöser Praktiken als vielmehr um ewig gestrige Vorurteile gegen Muslime und den Islam. Tatsächlich wurden im Abstimmungskampf kaum Argumente vorgetragen, die sich mit den baurechtlichen Fragen der Minarette befassten. Vielmehr wurde das Minarett zu einem politischen Symbol hochstilisiert und gezielt Angst geschürt.

Erschütternd an diesem Volksentscheid ist außerdem, dass ein fundamentales Grundrecht – die Religionsfreiheit – zur Disposition gestellt wird. Tragisch ist, dass einmal mehr ausgerechnet eine direktdemokratische Entscheidung demokratische Grundrechte außer Kraft setzt. Islamophobie ist in vielen europäischen Ländern inzwischen mehrheitsfähig. Es wird Zeit, dass wir verstehen, dass dieser Hass für unsere demokratischen Freiheitsrechte eine wirklich ernsthafte Bedrohung darstellt. Eine Entscheidung in Straßburg wird zwar diesen antidemokratischen Tendenzen Einhalt gebieten. Gleichzeitig ist jedoch zu befürchten, dass sie als „Einmischung von außen“ wahrgenommen wird. Demokratie und Freiheit zu leben verlangt offenbar auch in vermeintlich alten Demokratien den Bürgern einiges ab – jedenfalls dann, wenn Demokratie mehr ist als eine dumpfe Mehrheitsentscheidung an der Urne. DOROTHÉE DE NÈVE, Berlin

Ein Stück Freiheit ging verloren

■ betr.: „Schweizer lassen nur noch Kirchen ins Dorf“

Die Schweiz ist nicht dadurch stark geworden, dass sie Mauern errichtet. Dass ein Stück des offenen Geistes am 29. November geopfert worden ist, muss demokratisch akzeptiert werden. Doch all diejenigen, die für sich das Minarettverbot als Sieg reklamieren, werden morgen merken, dass ihr Triumph ein Pyrrhussieg war. In der Schweizer Verfassung wird damit eine religiöse Minderheit diskriminiert und dies mit einer demokratischen Legitimierung von beinahe 60 Prozent. Es ist schade, dass sich populistische Töne bei einer Mehrheit des Volkes eher verfangen als sachliche lösungsorientierte Politik. Die Schweizer haben ihren Ängste gegenüber den Muslimen mit diesem Resultat Ausdruck verliehen. Es wird nun an den konsensorientierten Parteien liegen, diese Ängste in eine vernünftige Politik umzumünzen. Statt Ausgrenzung braucht es einen Dialog mit den gemäßigten Kräften im Islam. PASCAL MERZ, Sursee, Schweiz

Kirchtürme schleifen

betr.: „Schweizer lassen nur noch Kirchen ins Dorf“

Bravo, liebe Schweizerinnen und Schweizer! Ihr habt euch als würdige Nachkommen Wilhelm Tells erwiesen – aber nur, wenn ihr jetzt auch die Kirchtürme schleift! HEINER ZOK, Schiffdorf

Schweizer Rüstungsexporte

■ betr.: „Schweizer lassen nur noch Kirchen ins Dorf“

Schade sicherlich! Aber vorige Woche berichteten Sie von zwei Volksbegehren. Ich aber finde das zweite Volksbegehren über den Stopp der Schweizer Rüstungsexporte genauso wichtig. Nur steht in der heutigen taz keine Wort darüber. FRIEDRICH MÜLLER, München

An „Kette“ gescheitert

■ betr.: „Der Mann, der die Möhre liebte“, taz vom 28. 11. 09

Vielleicht ist Matthias Rischau ja weder an „vegetarisch“ noch an „bio“ gescheitert, sondern an „Kette“. Fünfzig Filialen schaffen eine Anzahl Leichtlohngruppen-Arbeitsplätze, machen einen „Investor“ reich, und es schmeckt überall gleich. Fünfzig inhabergeführte Restaurants sichern fünfzig familiäre Existenzen und schaffen Mitarbeiterarbeitsplätze und eine kulinarische Vielfalt. Ich jedenfalls gehe fünfzigmal lieber zur Falafel-Bude meines Vertrauens als in irgendeine Lifestyle-Kettenfiliale mit Zentralküche. Vielleicht könnte er heute noch Äpfel schälen, wenn er ein einziges Restaurant aufgemacht hätte. MANFRED FLEGEL, Waddeweitz