leserbrief des tages:
„Kolonie“ Ostdeutschland?
betr. „Es sind andere Mauern entstanden“, taz vom 3. 10. 17
In der Debatte über die Zerrissenheit der französischen Gesellschaft wird das Fehlen einer Auseinandersetzung mit Kolonialismus und Postkolonialismus thematisiert. Eine Erinnerung: Kurz nach der Wende demonstrierten wir, eine Friedensgruppe in einer westdeutschen Kleinstadt, gegen eine „Kolonialisierung der DDR“. Wir wollten, dass die DDR Zeit bekam, um selbständig einen Weg nach „Gesamtdeutschland“ zu finden. Wir ernteten Spott und Ablehnung von unseren Mitbürgern. Vielleicht ist der Begriff „Kolonialisierung“ hilfreich zum Verständnis dessen, was wir heute sehen, wenn wir die Zerrissenheit unserer Gesellschaft feststellen, die die Wahlergebnisse der AfD deutlich macht. Ab 1990 suchten Westdeutsche in der Ex-DDR ihr Glück zu machen: in der Wirtschaft (Handel, Landwirtschaft, Spekulationen im Wohnungsbau), auf neu zu besetzenden Beamtenstellen, in der Mission (Demokratie). Das Überlegenheitsgefühl gegenüber den „Einheimischen“ gehörte dazu. Diesen Aspekt der neueren deutschen Geschichte sehe ich nicht aufgearbeitet.
Lies Welker, Mainz
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