leben in funnyland : yves eigenrauch über einen slogan, den er zum kotzen findet
ICH BIN SCHALKER!
unzulänglich. vieles kann man mir bezüglich meiner sportlichen qualitäten an den kopf werfen. einiges wurde auch schon geworfen. „arschloch“. ich bin schlecht, kann nicht schießen, kann nicht köpfen, vielleicht klappt es eben mit dem laufen. jeder hat seine meinung. darf, muss und soll dieselbe auch kundtun. die emotionen sind ja gerade das schöne am fußball, auch wenn ich als beteiligter manche reaktion nicht unbedingt nachvollziehen kann. wir treten den ball, liegen zurück: pfiffe. wir treten den ball in gleicher form wie vor zwanzig minuten, liegen nun aber vorne: applaus. obwohl sich an unserem spiel mit ausnahme des spielstands nicht viel geändert hat, schlägt die stimmung haken. mehr denn je zählt im sport der erfolg. brot und spiele. geschäft.
nachvollzug, nicht ich. ich habe nun einmal das glück, vieles mitzubekommen, was für den außenstehenden nicht unmittelbar ersichtlich ist. insofern bilde ich mir ein, einiges objektiver, oder war es doch subjektiver, beurteilen zu können. warum spielt ein spieler schlecht, ist unsicher? doch nicht, weil er nicht gewinnen will. sollte er sogar die arbeit verweigern wollen? solches schon da gewesene populistische gerede sollte jeder normal denkende mensch ignorieren; jeder, der sich noch an ideale anlehnt. ist es nicht beliebt, von sich auf andere zu schließen? eindrücke täuschen häufig. in den medien kann der gute wie der böse erscheinen oder, was viel schlimmer ist, der böse wie der gute auftreten. es ist eine frage der gelernten außendarstellung. manipulierbar. nicht selten auch eine frage der kontakte. entsprechendes wurde schon mal bestätigt.
vieles kann man mir zurufen! eines nicht. weder heute noch gestern oder morgen! „wir sind schalker und ihr nicht!“ die zuschauer rufen das, wenn sie besonders unzufrieden mit unserer leistung sind. vor jahren wurden die worte zum ersten mal skandiert und halten sich seitdem hartnäckig im rufgut der fans.
erstmals richtig wahrgenommen habe ich den gesang, ich glaube, es war neunzehnhundertdreiundneunzig, an einem der letzten spieltage in uerdingen. bayer stand schon als absteiger fest, und entgegen den allgemeinen erwartungen konnten wir uns nicht so ins spiel einbringen, wie wir uns das vorgestellt hatten. wir verloren. bei allem verständnis für die enttäuschung und den zorn. den zorn? ich habe das angesprochene rufen damals als beleidigung empfunden, als unverschämtheit und daran hat sich bis zum heutigen tage nichts geändert. man kann mich zum kotzen finden. schade! aber: ich bin schalker.
wäre ich keiner, würde ich auf das erste wort des textes zurückkommen: unzulänglich! klasse ist es, wenn die mannschaft gut und erfolgreich gespielt hat; und das individuum ebenfalls. perfekte kombi. im zweifelsfall sollte ich schlecht spielen, das team aber für den verein gewinnen. ist mir dann auch recht. für den verein! fc schalke 04. neun buchstaben und zwei zahlen, die mehr beinhalten als eine einfache namensgebung. fans, zuschauer, publikum!
fans? um zu pauschalisieren: diejenigen zuschauer, die glauben, ein tor eines mitkonkurrenten (in einem anderen spiel – die zwischenstände werden in der regel auf der anzeigetafel eingeblendet) beklatschen zu müssen, sind keine fans. ulm. sie haben noch nicht begriffen, dass es nicht um eine mannschaft geht, nicht um einen trainer oder manager oder einzelne spieler, sondern um alle, einschließlich ihrer selbst. den verein. ich bin schalker.
Autorenhinweis:yves eigenrauch, 29, ist angestellter von schalke 04 und versteht manchmal die zuschauer nicht.
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