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Archiv-Artikel

laptop wo bist du? ein reiseruf von ULRIKE STÖHRING

Das Diebsgesindel hatte alles an Stroh aus der Wohnung getragen, was sich schnell zu Gold machen lässt. Immerhin wurde es nicht weiter verwüstend tätig. Da hätte ich richtig Glück, wurde mir von den Kripojungs beschieden, sie hätten schon Schlimmeres gesehen. Ich will ja nicht undankbar sein, aber Glück hatte ich irgendwie anders in Erinnerung. Die Vorstellung, dass ein neuer „Besitzer“ in meinem Laptop herumschnüffelt und möglicherweise Texte, Fotos und private Korrespondenz zur Kenntnis nehmen könnte, kann scheußlicher nicht sein.

„Es ist wichtig, dass Sie sich jetzt nicht zum Opfer machen lassen! Schreiben Sie nicht für die Zeitung? Vielleicht können Sie da was machen. Gucken Sie die Tage nach, ob was im Netz auftaucht, oder sich die Diebe anonym bei Ihnen melden“, meinte der gut gelaunte Kriminalbeamte, der mich am nächsten Morgen gegen acht Uhr aus dem Schlaf klingelte. „Und informieren Sie mal lieber ihre Freunde und Familie!“

Entzückende Vorstellung: Soll ich nun kleinlaute Rundrufe starten oder Formbriefe verfassen? „Lieber XY, ich habe dich in einer Tagebuchnotiz vor zwei Jahren als hoffnungslos verlogenen Sausack bezeichnet. Dieses ist neuerdings im Internet nachzulesen. Ich meinte es aber nicht so.“

Um die beginnende Paranoia zu bekämpfen, beschäftigte ich mich an den folgenden Tagen mit den praktischen Erfordernissen der neuen Situation. Vermutlich ist es für Mitarbeiterinnen von Versicherungen Pflicht, komplizierte Doppelnamen zu tragen. Die sind für die aufgebrachte Kundschaft besonders schlecht zu merken. Es stellte sich heraus, dass ich Quittungen über viele Jahre zurückliegende Strumpfkäufe besitze, nicht aber die der nagelneuen Fotokamera.

In die Untiefen moderner menschlicher Kommunikation tauchte ich ein, als ich, mangels gespeicherter Mailadressen, die liebe Verwandtschaft und Bekanntschaft anzurufen suchte. Die Telekom, oder wie immer dieses Unternehmen sich jetzt nennen mag, könnte ausnahmsweise mal ein gutes Werk tun und das Besprechen von Anrufbeantwortern durch stammelnde Kleinkinder verbieten. Das ist nämlich weiter verbreitet, als man glaubt. Bei älteren Semestern müssen gar schon die Enkel ran. Langsam begann ich mir die begrenzten Möglichkeiten früherer Zeiten zurückzuwünschen. Auge-in-Auge-Gespräche gab es da, Zettel an der Tür und ab und zu einen stillen Brief. Und absolut nichts zu Klauen. Herrlich.

Beklommen suchte ich schließlich nach materiellen und ideellen Spuren meines geliebten Rechners im Internet und gab es doch schnell wieder auf. Zu ekelerregend die ebaysche Geldgier, zu anstrengend, sich in Erwartung böser Überraschungen durch hirntote Klatschblogs zu kämpfen.

Gestern Nacht nun riss mich das Telefon aus dem Tiefschlaf. In der äußerst vagen Hoffnung, die Einbrecher könnten mir das Raubgut zum Rückkauf anbieten, nahm ich ab. „Pupsi!“, schrie eine Jungmännerstimme begeistert, „du bist ja wach!“

„Jetzt ja“, knurrte ich, „aber ich glaube nicht, dass ich Pupsi bin.“ Der Anrufer legte ohne ein Wort der Entschuldigung auf. Ich aber lag bis zum Morgen schlaflos. Ich, Pupsi, das Opfer.