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kunstraumDas Herz schlägt queer

Anton Shebetko, Videostill aus „Simeiz“ (2022) Foto: Courtesy the artist

Der Krieg würde das patriarchale Männerbild in der Ukraine noch mehr verhärten, schrieb vor einigen Wochen Yelizaveta Landenberger in der taz. Jetzt gebe es nur Platz für Helden. Gegen solch gesellschaftliche Erstarrungen arbeiten Künst­le­r:in­nen aus dem kriegsgeschundenen Land immer wieder an. Nikita Kadan etwa zeigte, wie wenig vom Heldentum bei Gewalt und Zerstörung übrig bleibt, als er kürzlich in Chemnitz Beinprothesen von der Decke hängen ließ.

Und jetzt stellt Alina Kleytman im SMU mit ihren seltsamen Organ-Maschinen in der Vitrine die Idee vom festgeschriebenen Körper überhaupt in Frage. Kleine Metallketten docken an Adern an, wie dunkelrote Fühler arbeiten sie sich aus einem rosa-gelben organischen Rund hervor. Ist das ein weiblicher Unterleib oder ein Herz? Wie das Herz im Titel dieser kleinen, feinen Ausstellung „A Heart that Beats“. Dort findet man auch Bilder aus Jan Bačynsjkyjs „Queer War Archive“, ein Album über LGBTQIA+’s jetzt an der Front. Von Eddy, dem bisexuellen Dronenspezialisten, oder Lesya, der Transfrau am Geschütz.

Die Schau zeigt einen kurzen Abriss über queere Kunst aus der Ukraine und macht deutlich, wie angreifbar liberales Leben dort auch ist. Auf Yevgenia Belorusets‘ schwarz-weißen Fotografien von 2011 wirken die Paare noch sehr zurückgezogen. Erst seit den Maidan-Protesten 2014 seien Queers sichtbarer, gesellschaftlich akzeptierter, erfährt man. Im gleichen Jahr aber, mit der Annexion der Krim durch Russland, verschwand das schwule Mekka „Simeiz“. Anton Shebetko erinnert in einem Film mit verblichenen, melancholisch nachkolorierten Fotos an die Partys in der Krimstadt, die seit den 90ern in einer Kneipe stattfanden. Heute steht dort eine Imbissbude.

Auch zu sehen ist eine Collage der Queer-Ikone aus Sowjetzeiten, Sergei Parajanov. 1974 angeklagt wegen „Sodomie“, fabrizierte er das geradezu manisch vollgestopfte Bild im Knast aus allem, was ihm unter die Hände kam.

A Heart That Beats – Queere ukrainische Kunst im Fokus, Schwules Museum, bis 26. Januar 2026, Mo., Mi., Fr. 12–18 Uhr,Do.: 12–20 Uhr, Sa.: 14–19 Uhr, So.: 14–18 Uhr, Di.: Ruhetag, Lützowstr. 73

Die Kolumne: taz.de/tazplan

Sophie Jung

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