kunstraum: Spiel mit den Räumen

Pia Lanzingers Kunst ist aktivistisch und bezieht daher Interessierte wie Halb-Interessierte mit ein. Man sollte sich also von ihr verführen lassen und sich gleich am Samstag (5. 7.) um 17 Uhr auf dem Moritzplatz einfinden, für die musikalische Parade des KreisverChors. Der Chor der Statistik von Bernadette La Hengst sowie Sänger*innen und Beteiligte aus der Nachbarschaft kommen zusammen und besingen die vor aller Augen offen liegende, vertane Chance einer lebenswerten Platzgestaltung. Die musikalische Ebene bietet sich laut Künstlerin an, um soziale und emotionale Barrieren zu überwinden. Nicht ohne Grund kann man von manchem Leid ein Lied singen.
Wie das aussehen könnte, erfährt man in der Ausstellung im CLB im Aufbau Haus am Moritzplatz. Denn dort stellt Pia Lanzinger ihre jahrzehntelange künstlerische Praxis, in der sie große gesellschaftliche Konflikte im Kleinen aufgreift – und zwar in vielen Regionen der Welt –, beispielhaft in Videos, Fotos und Gesprächen vor.
Da geht es 1999 um die Stadt und ihr Geschlecht, weshalb die Künstlerin in München spezielle Bustouren organisierte, um an sechs ausgewählten Orten „weniger offensichtliche (Un-)Zusammenhänge im Leben der Geschlechter zu erfahren“. 2001 konnte sich die Künstlerin dann wieder in München sehr produktiv in die Neubesiedlung des Flughafenareals Riem einmischen – entsprechend ihrem Credo, dass Kunst die Mitgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse ernst nimmt. Sie entwickelte also die Zeitschrift „Schönes Wohnen in der Messestadt Riem“ und organisierte „Wohnwanderungen“, was den Austausch der Neuankömmlinge untereinander und die Artikulation ihrer Anliegen förderte.
Pia Lanzinger: Little Big Cha(lle)nges. CLB, bis 27. September, Prinzessinnenstr. 84.2 (Eingang Oranienstr.); KreisverChor, 5. 7., 17–19.30 Uhr, Programm: clb-berlin.de/exhibitions/turning-the-point-2Die Kolumne: taz.de/tazplan
Ob in Wien, Algier, Mexiko-Stadt, Petze in Niedersachsen oder Geraldton in Australien: Überall bringt Lanzingers künstlerischer Einfallsreichtum neue Sichtweisen ins Spiel der allzu stabilen, wenn nicht verhärteten Zustände, die glücklich zu nennen gelogen wäre. Es ist ein Vergnügen in die einzelnen Projekte einzutauchen, den Beteiligten zuzuhören, zu beobachten, was da Wundersames und Unerwartetes passiert und über dessen heilsame, befreiende Wirkung zu staunen. Brigitte Werneburg
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