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kummerkasten

Im Ratskeller des Moselstädtchens Bernkastel-Kues herrscht Hochbetrieb. Kellner eilen schneckengleich durch das Kellergewölbe. In einer Nische sitzt ein dicker Mann und starrt trübsinnig auf seinen Teller.

taz: Saumagen!

Helmut Kohl: Warum beleidigen Sie mich?

Ich meine doch nicht Sie, sondern Ihren Teller. Schmeckt’s nicht?

Ich bekomme keinen Bissen runter. Das ist mir das letzte Mal, warten Sie, im Januar 1966 passiert.

Was war denn da?

Adenauers 90. Geburtstag.

Ist doch toll.

Ich war nicht eingeladen.

Und heute?

0:1 gegen England.

Das war ja wohl zu erwarten.

Mit mir wäre das nicht passiert. Ich war schließlich Welt- und Europameister.

Matthäus auch. Sie sehen ja, wo so was hinführt.

Das Resultat ist es auch gar nicht, was mich so ärgert, sondern der Waldi.

Waldemar Hartmann?

Die reinste Schleimspur, als ich noch Bundeskanzler war. Und jetzt: kein Wort.

Sie meinen, er hätte Sie ins EM-Studio einladen müssen?

Warum nicht? So schlau daherreden wie dieser Netzer kann ich schon lange.

Und das hat Ihnen den Appetit verdorben.

Ach was. Das war dieser Lackaffe auf der Tribüne, da wo sonst immer ich gesessen habe.

Lackaffe?

Na, dieser Rechtsverdreher mit der Brutusfrisur.

Ach, Schily.

Der weiß doch von Fußball so viel wie ich von Parteispenden und hat trotzdem die Dreistigkeit, seinen Asketenarsch da zwischen die anderen Honoratioren zu pflanzen.

Warum sind Sie nicht einfach hingefahren?

Habe ich ja versucht. Die haben mich nicht über die Grenze gelassen.

Sie sind in der Hooligan-Kartei?

Dreimal dürfen Sie raten, wer mich da reingesetzt hat.

Schäuble?

Kalt.

Schröder?

Heiß.

Der Lackaffe mit der Brutusfrisur.

Bingo. Noch ein Viertele?

Aber immer.

INTERVIEW: MATTI LIESKE

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