kritisch gesehen: Promis statt lokaler Kunst
Ein paar Mal bin ich auch schon mutterseelenallein durch eine Ausstellung in der „halle267“ in Braunschweig gegangen. Dann hatte dort etwa der örtliche Bund bildender Künstler:innen einen Arbeitsquerschnitt seiner Mitglieder gezeigt. Oder Malte Bartsch, ehemaliger Student der lokalen Hochschule für bildende Künste, ließ an seiner Begeisterung für Pyrotechnik und technische Apparaturen teilhaben. Damit kreiert er fantastische Installationen, bei denen die Rezipient:innen Teil des Spektakels werden.
Solche Ausstellungen in der Städtischen Galerie mögen mitunter auf mäßige Publikumsresonanz stoßen: Löblich aber ist die Tatsache, dass die Stadt Braunschweig vor über zehn Jahren diese Gewerbehalle für Ausstellungszwecke ertüchtigt hatte und seitdem vorhielt, um für Künstler:innen mit regionalem Bezug Ausstellungsmöglichkeiten zu schaffen. Und lokalen Institutionen mit kleinen, eigenen Räumlichkeiten Spielräume zu eröffnen.
Das Ganze startete 2010, und die Ambitionen von einst scheinen längst vergessen. Offiziell heißt es zwar, dass seit Januar 2018 in den Räumen nun ganzjährig Kunst aus Braunschweig und der Region zu sehen ist, öffentliche Präsenz hat die nach Corona sicher nicht weniger nötig als zuvor. Die Stadt Braunschweig aber setzt nun auf einen Fundus an Fotografie- und Videoarbeiten von Herlinde Koelbl.
Warum? Weil Koelbls Angela-Merkel- und Promi-Porträts auch sattsam bekannt noch ihr Publikum finden – und man sich dann im Glanz der Prominenz sonnen kann: „Wir freuen uns ganz besonders, dass Herlinde Koelbl als eine der renommiertesten deutschen Fotokünstlerinnen eine eigens von ihr für die Halle 267 kuratierte Ausstellung präsentiert“, so Oberbürgermeister Thorsten Kornblum. „Eine Künstlerin mit ihrer Expertise und ihrem Renommee“ wäre ihm zufolge „eine bedeutende Auszeichnung für unsere Städtische Galerie.“
Oder vielmehr eine Bankrott-Erklärung kommunaler Kulturförderung.
Bettina Maria Brosowsky
„Mein Blick“: bis 10. 7., Halle 267, Städtische Galerie Braunschweig, Hamburger Straße 267
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen