kritisch gesehen: „polipolis – audiowalk“ vom k3-zentrum für choreografie: Vogelwild durchs Hamburg einer besseren Zukunft
Da! Ein flauschig-pinkes Vogelwesen! Mitten in der City?! Doch ja, da unten an der Bushaltestelle steht’s und guckt uns neugierig an. Oben im „Jupiter“, dem ehemaligen „Karstadt Sport“-Gebäude, drücken wir uns die Nasen an den Fensterscheiben platt und blicken auf die Mönckebergstraße. Blicken rüber zu „Saturn“ und zum verödeten „Galeria Kaufhof“. Bald werden wir uns auf den Weg machen durch „Polipolis“, einen neuen Entwurf der Hamburger Innenstadt.
Es ist eine utopische Stadtlandschaft ohne Autos, Dreck und Gefahr, in der chillen wichtiger ist als konsumieren, in der Kletterparks die Shoppingmalls ersetzen und Kinder Ausstellungen für Kinder kuratieren in Museen, auf deren Dächern Gemüse für alle angebaut wird. Für einen ersten Eindruck dieser Vision vom Hamburg der Zukunft hat Regina Rossi einen Audiowalk für Menschen ab 11 Jahren entwickelt.
Ausgestattet mit silbrigen Rucksäcken, einem Stadtplan, Kopfhörern und einem Guide, machen wir uns auf den Weg. Die Stimme in unseren Ohren erzählt etwas über Hamburgs Historie und Gegenwart. Sie informiert uns, nimmt uns mit, leitet uns an, die Stadt neu zu entdecken. Vor uns tanzen wild Gaëtane Douin und Marcelo Doñoein als Fuchs und Eule, gegenüber jagen sich eine Maus und ein Vogel (Nicolás Vignolo, Nora Elberfeld): Fröhlich ausgelassene und bunte Kostüme hat Ilona Klein designt. Wenn wir die Blicke schweifen und von der Tonspur lenken lassen, entdecken wir an Fassadenvorsprüngen und Hauseingängen weitere Tiere. Nur sind die halt leblos versteinert.
Neben Konsumtempeln, Tieren, Fahrrädern und Autos gehören Menschen dorthin. Das konnte das Team um die brasilianisch-hamburgische Choreografin Regina Rossi während der intensiven Recherchephase zu diesem Projekt mit Hamburger Schüler*innen feststellen. Im Audiowalk entdecken und visualisieren sie nun eine Stadt, die aus den Lücken und Leerstellen der Shoppingmeilen herauswuchert, den Blick schärft für Details und zum Schmunzeln und Nachdenken bringt. Es ist ein kurzweiliger Parcours, vorbei an donnernden Stadtbussen und Straßenmusiker*innen, vorbei an Baustellen und Kaufhäusern, inmitten verwunderter Passanten. Und es ist ein Parcours, der charmant und unaufgeregt Gemeinschaft stiftet. Spätestens, wenn sich alle Teilnehmer*innen im Kreis zu einer kleinen Choreografie treffen, verwandelt sich die City vom bloßen Konsum- zum Erlebnis-, Kunst- und Gemeinschaftsraum. Herrlich. Katrin Ullmann
Aufführungen: 23. 9., 11 und 17 Uhr. Treffpunkt: Jupiter, Mönckebergstr. 2-4. Tickets müssen vorab online oder an der Kampnagelkasse gebucht werden.
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