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kritisch gesehen: arne schmitts plakat-serie „das allgemeine gut“ in bremenNachdenken über Monheim

Arne Schmitt hat sich, in dem Fall mehr als Diskurs- denn als Fotokünstler unterwegs, Monheim kritisch angeschaut: Den daraus entstandenen Werkkomplex „Das allgemeine Gut“ zeigt noch bis Anfang Februar die Galerie K'-Strich in Bremen, und es ist eine sehr traurige Ausstellung, fast asketisch und unerbittlich realistisch.

Denn Monheim gibt es wirklich. Mehr müsste diesbezüglich aber im Grunde auch nicht gewusst werden: In den 1970er-Jahren hat die 40.000-Einwohner*innen-Stadt am Rhein mal eine Zeit lang zu Düsseldorf gehört und war dann unverdaut wieder ausgesondert worden. Über das ihr angemessene Maß bekannt geworden ist sie, nachdem ihr Bürgermeister 2007 den Gewerbesteuerhebesatz sukzessive aufs Minimalmaß gesenkt hat: Weil diese Abgaben in Deutschland nicht dort zu entrichten sind, wo eine Firma ihre Ware, Lärm und Gestank produziert, sondern nur, wo sie juristisch ihren Sitz hat, wirkt das auf diverse Un­ter­neh­me­r*in­nen so unwiderstehlich anziehend, wie auf Calliphora vicina ein frischer Haufen dampfender Hundekot an einem Frühsommerabend. Dank einer erheblichen Zahl Briefkästen profitiert die Stadt vom Geld, das anderswo abfließt. Und die Unternehmen profitieren davon, dass sie insgesamt weniger an die Allgemeinheit abführen als vorher. Ein erkennbar unsolidarisches Modell, das seither Bestand hat, 15 Jahre schon.

Vielleicht aus Anlass dieses kleinen Jubiläums hat Schmitt in Monheim einerseits nach dessen sichtbaren Auswirkungen gesucht: Die Video-Reihe „Kritische Infrastruktur – 6 aus 49“ detektiert sie in Details auf weitgehend menschenleeren Straßen und Plätzen: Alles propper. Infrastruktur vorhanden und funktionsfähig.

Nichts hingegen kann als Spur eines aus wachsendem Repräsentationsbedürfnis erwachsendem ästhetischen Aufbruchs gelten oder wie ein Hinweis auf eine neue Vitalität wirken: Auch auf Hochglanz bleibt Grau grau. Die Tristesse entspringt dabei nicht einer poemischen Perspektive. Sie wird vielmehr bestätigt durch die Selbstdarstellung Monheims: Für eine Plakatreihe hat Schmitt Geknipstes von Einheimischen übernommen.

Doch auch deren Bilder fördern nichts Idyllischeres zutage, als die ruhigen, emotionslosen Aufnahmen Schmitts festgehalten hatten. Diese Fotos freilich kontert er mit recht langen Auszügen aus dem sozialökonomischen Werk „Der Triumph der Ungerechtigkeit“. In dem erläutern Emmanuel Saez und Gabriel Zucman, wie ein faires globales Fiskalmodell aussehen könnte – und wie Steuervermeidung jedes Gemeinwesen untergräbt. Ohne dass etwas daraus entstünde, das auch nur bewahrenswert scheint: Vielleicht, weil jene, die auf sie setzen, die schiere Funktionsfähigkeit bereits für Wohlstand halten oder gar, tragische Verwechslung, für Glück.Benno Schirrmeister

„Arne Schmitt: Das allgemeine Gut“: bis 4. 2., Galerie K' Strich, Bremen, Alexanderstraße 9b

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