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kritisch gesehen: „70 jahre zwischen natur und gesellschaft“ im klimahaus bremerhavenAls liefe man quer durch eine überdimensionale Broschüre

Vierter Stock, Klimahaus Bremerhaven, da läuft die Sonderausstellung „70 Jahre zwischen Natur und Gesellschaft“ des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Auch wenn man nur die anschauen will, muss der volle Eintritt bezahlt werden. Das ist happig. Aber die Ankündigung liest sich gut: Detaillierte Einblicke in die international agierende Bundesbehörde soll es geben. Einen Wetterballon, Modelle von zwei Wettersatelliten und „eine Zeitreise in die Anfänge der Wettervorhersage“. Alles erstmals zu sehen für eine breite Öffentlichkeit verheißt die Werbung.

Die versprochene Zeitreise? An einer Video-Station können die Be­su­che­r*in­nen Wettervorhersagen vergleichen, Hans Haarländer 1973 im ZDF oder Sven Plöger 2005 in der ARD. Das ist ganz hübsch: In den Anfängen standen die Moderatoren, na klar!, noch vor Pappkarten herum. Das wirkt aus heutiger Sicht zeitreisig. Ansonsten liegen in Vitrinen historische Mess-Instrumente oder Dinge wie meteorologische Schiffsjournale, in denen handschriftlich alle vier Stunden dokumentiert wurde, wie die sich See so verhielt.

Den weitaus größten Raum nehmen Texttafeln ein. Es fühlt sich an, als habe jemand einfach Info- oder Werbebroschüren des Deutschen Wetterdienstes – von denen auch einige am Eingang auf einem Stehtisch bereit liegen – groß aufgezogen und im Raum verteilt.

Die Tafeln haben schmissige Titel wie „Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr“, „Satellitendaten und ihre Nutzung“ oder gar „Welche Klimaservices bietet der DWD an?“ Es folgt jeweils viel Text der mit wenig Absätzen und heller Schrift auf unruhigem Grund in sperrigem Deutsch zum Beispiel darüber aufklärt, dass „das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) […] zuständig für die Bereiche Digitales und Verkehr sowie klimafreundliche Mobilität“ ist. Am meisten ist am Wetter-Glücksrad los, das, gedreht, laut rattert und schließlich auf Symbolen mit Regen, Blitz, Sonne oder Wolken stehen bleibt.

Eine der wichtigsten Aufgaben des DWD ist, die Bevölkerung vor gefährlichen Wettersituationen zu warnen, wie jener an Ahr. Und tatsächlich warnte er am Morgen des 14. Juli 2021 vor „extremem Unwetter“ mit Starkregen in weiten Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Bereits zwei Tage zuvor hatte er „große Regenmengen“ in den nächsten Tagen angekündigt – und die Hochwasserzentralen der Länder informiert. Dass es dennoch zur Katastrophe kam, hätte Anlass sein können, zu fragen, was schief lief. Stattdessen verkündet eine Texttafel „Unwetterwarnungen retten Leben“. Das soll sicher kein schwarzer Humor sein. Es klingt aber so. Ilka Kreutzträger

Sonderausstellung „Mehr als Wetter – 70 Jahre zwischen Natur und Gesellschaft“, Klimahaus Bremerhaven. Bis 31. März 2024

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