kriegsziel irak: Bedingt diskussionsbereit
„Rein theoretisch“ sei die Frage nach einem US-Angriff auf den Irak – so lässt es uns Bundeskanzler Gerhard Schröder wissen. „Es gibt keine militärischen Planungen zu Irak“ – so belehrt uns Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping. Da können bei der Münchner „Sicherheitskonferenz“ führende US-Senatoren und selbst der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz noch so deutlich sagen, dass Irak als nächstes Land auf der Zielliste steht. Solange kein detaillierter Schlachtplan vorliegt, so die Bundesregierung, hat dies kein Thema für die deutsche Politik zu sein.
Kommentarvon ERIC CHAUVISTRÉ
Schröder und Scharping dementieren, was ohnehin niemand ernsthaft behauptet: Natürlich steht ein US-Angriff auf Irak nicht unmittelbar bevor – weder in der nächsten Woche noch im nächsten Monat. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, braucht es weder Zugang zu geheimen Informationen des Pentagon noch eine vertrauliche Unterrichtung durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Noch sind die US-Streitkräfte in Afghanistan beschäftigt, noch sind die Kontakte der US-Geheimdienste zu bewaffneten irakischen Oppositionellen dürftig und noch hat die US-Regierung keine Regelung für die Zeit nach Saddam Hussein ausgeheckt. Eilig hat es in Washington niemand: Bush hat schon im September angekündigt, dass die „Operation Enduring Freedom“ ein langer Krieg mit vielen Schlachtfeldern wird.
Natürlich weiß auch die deutsche Bundesregierung, dass die Vereinigten Staaten zu einem Krieg gegen den Irak entschlossen sind. Eine Debatte über eine deutsche Unterstützung will sie aber unbedingt vermeiden. Solange keine konkreten Pläne für einen neuen Golfkrieg vorliegen, soll deshalb nicht über eine Kriegsbeteiligung diskutiert werden. Wenn die Planungen dann erst einmal – nach Ansicht der Bundesregierung – konkret genug für eine Debatte sind, dann wird es für eine ernsthafte Auseinandersetzung aber zu spät sein. Eilig eingeflogene Abgeordnete werden wieder einmal eine schon gemachte Zusage der Regierung abnicken. Zeit für Diskussion wird es nicht mehr geben – denn die Entscheidung wird längst gefallen sein.
Der richtige Moment, um über eine deutsche Unterstützung für einen US-amerikanischen Angriff auf den Irak zu diskutieren, wäre deshalb jetzt. Noch bleiben einige Wochen oder Monate Zeit für eine demokratische Debatte. Und noch könnte sich der Bundestag gegen eine deutsche Kriegsbeteiligung aussprechen. Rein theoretisch.
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