krieg und cocktails : „Call us dinosaurs“
Das AJC feierte
Shawne Fielding – Sie wissen schon – war da: schwanger, kugelrund, gehüllt in ein violett-glänzendes Nichts. Insofern könnte man von einem gesellschaftlichen Ereignis in der Hauptstadt sprechen. Gab es etwas zu feiern? Ja. Das Büro des American Jewish Committee (AJC) in Berlin lud zur „5. Anniversary Celebration“ in den etwas zu üppig geratenen Ballsaal des Hotel Adlon.
Doch trotz des freudigen Anlasses, des festlichen Ambientes und der feinen Weine mochte keine ausgelassene Feierstimmung aufkommen. Das lag am Krieg am Golf und den Spannungen, die seitdem zwischen den USA und der Bundesrepublik deutlich werden. Der Angriff auf den Irak überschattete den Abend.
Das wurde sogleich deutlich, als AJC-Geschäftsführer David Harris nach einer Stunde den offiziellen Teil der „Cocktail Reception“ eröffnete: „Call us dinosaurs – Nennen Sie uns Dinosaurier“, rief er aus, das AJC glaube trotz der deutsch-amerikanischen Friktionen weiter an die „transatlantische Freundschaft“. Der Empfang rutschte auf das glatte Parkett der Diplomatie.
Bundesinnenminister Otto Schily lobte die Arbeit des AJC, deren Ansiedlung in der Stadt rund 60 Jahre nach der Schoah „nichts Selbstverständliches“ gewesen sei: vielmehr Zeichen des Vertrauens in die hiesige Demokratie. Der Minister – in sein Ressort fallen die Glaubensgemeinschaften – sprach vom Krieg und der Hoffnung der christlich-jüdischen Bibel, die Krieg stets nur negativ sehe. „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt“, zitierte er den Propheten Jesaja (52, 7).
Applaus bekam Schily dafür nicht. Das AJC hat nach Beginn des Krieges US-Präsident George Bush seine Unterstützung zugesichert – was auch intern umstritten ist, da Meinungsumfragen zufolge ein Drittel der amerikanischen Juden gegen den Waffengang am Golf ist. AJC-Präsident Harold Tanner legte in einer freundschaftlichen Geste Schily eine Hand auf die Schulter. Symbolik allerorten.
Tacheles redete am Ende Ernst Cramer (90), in Augsburg geboren, US-Bürger, Weggefährte Axel Springers und Chef der gleichnamigen Stiftung. Er neige in der Kriegsfrage zur Position Bushs – der Beifall für diese Aussage: verhalten. Als könnte zu deutlicher Applaus die prekäre Stimmung des Abends zum Kippen bringen. PHILIPP GESSLER