kommentar: Plakat für das Holocaust-Mahnmal
Ästhetik des Schreckens
Eine idyllische alpine See- und Berglandschaft, ein romantischer Urlaubstag irgendwo im ruhigen deutschsprachigen Süden. Aber Vorsicht: Hier sind Nazis am Werk, die behaupten, „den holocaust hat es nie gegeben“! Dagegen müssen alle Gutmenschen aufstehen, ihre Geldbörsen auftun und mittels der sonst für Telefonsex-Nummern reservierten Vorwahl 01 90 fünf Mark spenden. So sieht das neue Plakat der Stiftungsinitiative für ein Denkmal für die ermordeten Juden aus, das gestern vorgestellt wurde.
In Zeiten schwindender Solidarität und wachsender Reize aus der Werbebranche muss auch der Holocaust mit den Mitteln der PR-Agenturen arbeiten, Teil des globalen Kommerzialisierungsprozesses werden – scheinen die Initiatoren zu glauben. Der Holocaust ist langweilig. Wie in der Werbung, so wird nicht mehr für eine Sache direkt geworben, sondern mittels einer künstlich hergestellten Verbindung, eines attraktiven Bilds, das dem Auge des Betrachters schmeichelt. Man schafft sich einen neuen künstlichen Ort, da die Originalschauplätze nicht mehr zu genügen scheinen.
Doch bieten die Schauplätze in Berlin nicht genügend, um Interesse zu wecken? Alle Debatten der letzten Jahre beweisen das. Warum also hat es die Denkmalinitiative so schwer, die wenigen Millionen zusammenzubekommen? Möglicherweise hängt es mit dem geplanten Denkmal zusammen.
In Israel ist der Sinn der Holocaust-Gedenkstätte klar: Sie erinnert an das Leid des eigenen Volkes. In Amerika ist das Holocaust-Museum einerseits eine Geste gegenüber den Kindern der Überlebenden in den USA, andererseits ein Appell an die Menschheit, freilich amerikanischer Provenienz.
In Berlin stellt sich allerdings die Frage, warum in einer Stadt, die eine einzige Topographie des Terrors darstellt, ein Denkmal gebaut werden muss. Denn es steht in direkter Konkurrenz zu den Originalschauplätzen, es nimmt ihnen Präsenz und steht – trotz gegenteiliger Absichten der Initiatoren – in einer Linie mit der Verdeckung der Geschichte, wie sie beispielsweise bei den Ministergärten betrieben wird: Die berüchtigte Voßstraße ist verschwunden, die Reichskanzlei scheint hier nie gewesen zu sein. Schöne neue Welt.
Vielleicht sollte man den Bürgern mehr zumuten als einen reinen Ablasshandel. Man sollte ihnen helfen, eine Brücke vom Geschehenen hin zu ihrem aktuellen konkreten und intellektuellen Handeln herzustellen. Erst so entsteht ein lebendiges Denkmal – wie es schon jetzt die „Topographie des Terrors“, das Projekt Bayerisches Viertel oder die Wannsee-Villa sind. Die Menschen warten darauf.
TSAFIR COHEN
Freier Journalist aus Israelinland SEITE 7
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