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kommentarGrüne im Wahlkampf: Nichts Neues unter der Erneuerbaren Energie

Es gibt eine sehr lästige Mode in Wahlkampfzeiten. Es ist das große „Wir“. Die SPD firmiert unter dem Titel „Wir in Deutschland“; die CDU singt stets die Nationalhymne auf ihren Wahlkampfveranstaltungen; und die FDP hat kein Wahlprogramm, sondern ein „Bürgerprogramm“. Botschaft: Es gibt keine Interessen, sondern nur noch die Gemeinschaft der guten Deutschen. Dass trotzdem fünf Parteien im Bundestag sitzen, muss irgendwie ein Irrtum sein. Diese absurde Inszenierung des Alleinvertretungsanspruchs haben nun auch die Grünen entdeckt. Seit gestern bieten sie den „Bürgerinnen und Bürgern“ einen „Vertrag für die Zukunft“ an.

Und was erfährt man dort? Nichts Neues natürlich. Wie auch. Es gibt ja schon ein grünes Wahlprogramm. Das ist vom Mai und hat 96 Seiten. Die Vermutung liegt nahe, dass bisher kaum jemand dieses voluminöse Werk gelesen hat. Jetzt also wird der Text kundenfreundlich eingedampft – wie ein ordentlicher Versicherungsvertrag passt auch der „Vertrag für die Zukunft“ auf ganze sechs Seiten.

Das kann nichts anderes bedeuten als: 90 Seiten des grünen Wahlprogramms waren von vornherein überflüssig, waren Worthülsen auf Ökologisch. Aber das Gute für die Grünen: Keiner wird es merken. Denn auch die sechs Vertragsseiten dürften kaum gelesen werden. Deswegen gibt es ja noch die einseitigen Kampfprodukte, sonst Plakat oder Anzeige genannt. Sie kommen meist ohne jeden Inhalt aus, zeigen nur noch Köpfe.

Es sind diese Plakate, die alles sagen, was zu sagen ist. Die Grünen sind Fischer, Künast und Trittin – und ansonsten eine Marke. Sie stehen für Atomausstieg, Naturschutz, gesunde Nahrungsmittel, für Homoehe und Integration von Minderheiten. Das weiß man. Und genau das steht jetzt noch einmal im „Vertrag für die Zukunft“. Und man weiß auch, dass die Grünen schon vor vier Jahren gefordert haben: Frauen sollen die Hälfte der Macht erhalten, Kinder besser betreut und die Entwicklungshilfe soll deutlich erhöht werden. Es erstaunt auch überhaupt nicht, dass diese Ideen erneut auftauchen müssen. Der Realo erwartet keine wirklichen Veränderungen, aber grüne Bekenntnisse.

Der „Vertrag“ formuliert das Bewährte. Zusammengefasst lautet Botschaft 1: Grün gibt’s nur mit Grün. Botschaft 2 ergibt sich aus 1: Grün gibt’s nicht mit Stoiber. Dass man das längst weiß, weiß auch die grüne Parteispitze. Trotzdem hat sie sich sechs Vertragsseiten abgerungen. Und sie waren ja auch nicht überflüssig. Sie wurden geschaffen, damit die Medien darüber berichten. Bitte sehr, gern geschehen. ULRIKE HERRMANN

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