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kommentarZuwanderungsgesetz

Dunkle Seiten

Der Rückfall in die ausländerrechtliche Steinzeit ist durch das Ergebnis der Bundestagswahl zunächst verhindert worden. Moderne Zeiten sind damit jedoch keineswegs angebrochen. Zu viel Vorgestriges hat die Zuwanderungsdebatte völlig unbeschadet überstanden, so das exzessive Abschiebungshaftrecht und der skandalöse Umgang mit ausländischen Kindern.

Trotzdem: Das Zuwanderungsgesetz enthält viele Elemente, für die es sich einzutreten lohnt: die Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung, eine Härtefallregelung, Fortschritte beim Familienasyl. Dafür haben die Grünen am Ende engagiert verhandelt. Dennoch muss der Preis benannt werden, um den diese Regelungen zu haben waren. Die Einrichtung von Ausreisezentren und die Fortschreibung des Abschiebungshaftsystems sind die dunkle Seite des Zuwanderungsgesetzes. Unter einer rot-grünen Bundesregierung wird das exzessiv genutzte System der Abschiebungshaft nicht eingeschränkt, geschweige denn abgeschafft – es kommt ein Element hinzu. Ausreiseeinrichtungen sind Abschiebungslabore, geprägt von einer bürokratischen Maschinerie, die Hoffnungslosigkeit produzieren will. Die Praxis zeigt: Existieren solche Einrichtungen, werden sie auch gefüllt – unter allen Umständen. Gegebenenfalls wird das Recht nachträglich der experimentellen Praxis angepasst. Schon vermischen sich in mehreren Bundesländern Erstaufnahme- und Ausreiselager. Asylsuchende werden so von Anfang an als potenzielle Abzuschiebende behandelt.

Die erstarkten Grünen sollten nun den Eindruck widerlegen, ihre Empathie gelte längst mehr den Lebensbedingungen von Hühnern als den Rechten von Flüchtlingen. Hierfür wird es nötig sein, dass Parteibasis und Fraktion das Thema Migration und Flüchtlinge nicht verdrängen, sondern weit oben auf die Agenda der kommenden Legislaturperiode setzen.

Das Rezept ist klar: Wer Schily fordern will, muss Joschka quälen. Der muss die arbeitsteilige Männerfreundschaft – des Helden der inneren Sicherheit mit dem Ausputzer des Äußeren – vorübergehend ruhen lassen und Klartext reden. Flüchtlinge, Migration und Europas Umgang damit – das ist auch Fischers Ressort.

Es gehört keineswegs ins Reich der Utopie, sich vorzustellen, dass die Höchstdauer der Abschiebungshaft in Deutschland drastisch reduziert wird, wie dies Praxis in anderen europäischen Staaten ist. Der Bau einer Zurückweisungshaftanstalt auf dem Frankfurter Flughafen ist keineswegs Sachzwang. Es ist durchaus Realpolitik, die Abschaffung der absurden „Residenzpflicht“ für Asylsuchende zu fordern und damit einen Beitrag zu ihrer Entkriminalisierung zu leisten. Es ist praxisnah und human, mit einer großzügigen Bleiberechtsregelung den langjährig hierzulande lediglich Geduldeten zu einem Daueraufenthalt zu verhelfen. Mit der vorbehaltlosen Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention würde die Bundesrepublik auch auf diesem Sektor das Niveau der Bananenrepublik verlassen.

BERND MESOVIC, PRO ASYL

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