klaus raucht wieder:
von FRITZ TIETZ
Fünf Jahre abstinent, raucht Klaus jetzt wieder. Vor Weihnachten war’s, als er im Tannenbaumgroßhandel seiner Eltern aushalf. Da hat man ihn angefixt, wie er sagt. Es würde halt viel geraucht im Tannenbaumgewerbe: die Kälte, die Glühwein-Sauferei nebenbei. Da bräuchte es ein paar Öfchen, die einen wärmen und ein bisschen trösten. Immer wieder hätten ihm die Kollegen ihre Zigaretten hingehalten. Und irgendwann hat er halt eine mitgeraucht. Die Woche drauf waren’s dann schon vier oder fünf am Tag, denn „sie taten mir doch wieder recht gut, die kleinen Tröster“, erklärt er, während er sich eine ansteckt und inhaliert. „Du kennst das ja“, bläst er mir entgegen. Ich nicke, denn ich kenne das in der Tat, habe schließlich selbst mal ordentlich geraucht. Das ist aber schon sehr, sehr lange her. „Solange du bloß schnorrst, rauchst du im Grunde gar nicht,“ sagt Klaus. „Richtig rauchen ist nur, wenn du kaufst.“ Er hat sich kurz nach Weihnachten seine erste Schachtel besorgt. „Die Entscheidung, zu kaufen, war nicht schwer. Schwieriger war, welche Marke ich kaufen sollte“, erinnert sich Klaus, denn: „Du wirst ja imagemäßig nach deiner Zigarettenmarke beurteilt.“ Als er aufgehört hatte vor fünf Jahren, war er, „wie du ja auch und fast alle, die früher Camel ohne geraucht haben“, auf Gauloises blond. „Die haben aber mittlerweile eine Scheißwerbung“, behauptet er. Er wolle nicht „mit so lockeren Pullovertypen“ verwechselt werden. Außerdem sei Gauloises „ für einen Neueinsteiger zu stark“. Das gelte auch für Camel und Lucky Strike, wie er beim Tannenbaumrauchen feststellen konnte, denn „da habe ich ja alle Sorten reihum geschnorrt“. An Marlboro nerve ihn „dieser Cowboy“, weil „Cowboy“, findet Klaus, „ist doch bloß ein anderes Wort für Homosexualität“. Die Marke West hingegen lehne er „aus ideologischen Gründen“ ab, ebenso „Ernte, HB und diese Proll-Marken“. Klaus entschied sich für Peter Stuyvesant.
„Mit das Schönste am Nichtrauchen ist ja, dass die Wohnung nicht mehr so stinkt“, sagt Klaus, während ihm Qualm aus der Nase quillt, „und natürlich die Klamotten.“ Deshalb rauche er seit seinem Neuanfang konsequent draußen auf dem Balkon. „Hätte ich früher nie gemacht“, versichert er. Dabei hatte er früher nie einen Balkon.
Dafür hat er jetzt einen um so schöneren. „Hier rauche ich gern“, sagt Klaus, schnippt dann seine Kippe runter in den Garten, wo es mittlerweile aussieht wie zwischen den Gleisen einer S-Bahnstation. Klaus schimpft: „Sie fliegen zum Mond. Aber einen Kippenschredder für Balkonraucher erfinden, das können sie nicht.“ So ein kleiner Häcksler müsste das sein, am Balkongeländer zu befestigen, mit abnehmbarem Müllbeutel unten dran, der leicht zu entsorgen wäre. Dann müsse er nicht einmal die Woche runter in den Garten, die Kippen auflesen. Warum er denn keinen Aschenbecher benutzt, staune ich. „Zu eklig!“, befindet Klaus und hält mir seine Stuyvesants hin. Ich nehme mir eine. Er nimmt sich eine. Er gibt uns Feuer. Wir rauchen. Es ist meine erste Zigarette seit zehn Jahren, und ich finde, sie kommt gar nicht schlecht.
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