kanzler beim dgb: Es fährt ein Zug nach gestern
Kanzler Schröder war deutlich anzumerken, dass er eine der obersten Regeln des Politikmarketings beherzigen wollte: Wiederhole eine griffige Formel so lange, bis sie niemand vergisst. Oder um es in der Sprache der US-Wahlkampfmanager zu sagen: Erzähle immerzu das Gleiche, bis es selbst die Katze des Präsidenten nicht mehr hören kann. Was Schröders Katze sicher bald bestens kennt, ist des Kanzlers Vorwurf an die Union, sie würde mit „Personal von gestern“ die „Konzepte von vorgestern“ vertreten. Eine andere Schröder-Metapher lautet, die CDU würde eine „Reise in die Vergangenheit“ antreten. Beides war auch gestern wieder zu hören – auf dem DGB-Kongress, wo Schröder als Erster der Kanzlerkandidaten eine Rede halten durfte.
Kommentarvon ULRIKE HERRMANN
Nun stimmt es durchaus, dass die Union in die Vergangenheit reist – aber die Sozialdemokraten sitzen mit im Zug, nur in einem anderen Abteil. Denn die Themen dieses Wahlkampfes sind die gleichen Themen wie beim letzten Mal. Recht auf Teilzeit, keine Scheinselbstständigkeit, modernisierte Mitbestimmung: Die SPD hat es durchgesetzt, will es verteidigen. Die CDU will das alles nicht, will alles wieder abschaffen. Und so rangelt man sich im Vergangenheitszug, wer im Führerhäuschen sitzen darf.
Aber wo bleibt das Projekt der Zukunft? Das hat auch die SPD nicht zu bieten, wie gestern wieder beim DGB deutlich wurde. Und es kann nicht auch noch die nächsten vier Jahre begeistern, dass vor vier Jahren die komplette Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wieder eingeführt wurde.
Obwohl einem alles so bekannt vorkam: Gerhard Schröder hielt gestern eine seiner entscheidenden Wahlkampfreden. Entscheidend nicht, weil beim DGB Wechselwähler zu vermuten wären oder sich irgendeine „breite Masse“ erreichen ließ. Nein, entscheidend war diese Rede als Stimmungsbarometer: Wie würden sich die recht treuen DGB-Genossen verhalten, von denen die meisten auch Mitglied bei der SPD sind? Ergebnis: Der Applaus war verhalten. Das muss die Kampa alarmieren.
Die heiße Wahlkampfphase ist zwar noch nicht erreicht, noch muss sich kein Genosse in der Fußgängerzone an den rot-weißen Infotisch stellen. Doch wird erkennbar, dass die Lust der Basis nicht groß sein dürfte. Sie scheint auch nicht so recht zu wissen, was für die SPD spricht. Wie sollen die Genossen dann erst die Wähler überzeugen?
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