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kanalarbeit an der oberfläche: steve mcqueens fotoserie „barrage“

Die großen Städte sind weitgehend abfotografiert. Man kennt die Skylines von Manhattan bis Hongkong auswendig. Entsprechend hat der britische Träger des Turner-Prize, Steve McQueen, eher auf Nebensächlichkeiten geachtet, als er einige Monate in Paris verbrachte. Dann ist er auf der Straße fündig geworden – in der Gosse. Vor jedem Gully liegen dort Lappen, zusammengeknüllter Stoff und aufgerollte Teppiche, von denen niemand genau weiß, warum. McQueen hat bei der Stadtreinigung recherchiert und noch mehr von den seltsamen Lumpen fotografiert. Jetzt sind 55 kleinformatige Fotografien unter dem Titel „Barrage“ in einem schmalen Künstlerbuch erschienen, das der Berliner DAAD gemeinsam mit dem Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, herausgegeben hat (58 Seiten, 35 DM).

„Barrage“ heißt so viel wie Absperrung oder Damm. So erfüllt selbst der vermeintliche Sperrmüll am Straßenrand, den McQueen ausgiebig studiert hat, eine wichtige Funktion im urbanen Raum: Er regelt das Abfließen von Regenwasser, filtert den Dreck und sorgt dafür, dass die Gullys nicht verstopfen.

Als Serie dokumentiert „Barrage“, wie selbst der unansehnlichste Gegenstand im Ensemble der Großstadt eine Bedeutung hat. Doch in der schlichten Sicht der Dinge liegt für den afrobritischen Künstler McQueen, der mit subtilen Filmarbeiten über kulturelle Prägungen und andere Identitätsmodelle bekannt wurde, noch ein Mehrwert gegenüber der Realität. Seine Bilder markieren auch, wie fest das Rand-ständige in der Zirkulation verankert ist. Nichts geht verloren. Wer von dieser Einsicht Rückschlüsse auf gesellschaftliche Prozesse zieht, ist dem ästhetischen Denken von McQueen schon sehr nahe. hf

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