kabolzschüsse: Auf der Suche nach Berlin randigster Sportart
Prellball
Beim Stichwort Prellball fällt mir jemand ein, für den der Prellballsport eigentlich gar nichts kann. Nach etlichen Sportstunden beschwor unser Schulsportlehrer seinen kreativen Geist und drohte mit etwas, das wir nicht kannten: „Beim nächsten Mal spielen wir vielleicht Prellball“, überraschte er uns. Gezeigt hat er uns dieses altbackene Turnerspiel aus den Zwanzigerjahren nie und blieb stattdessen gern beim strammen Turnen.
Hier konnte er Mitschülerinnen seine allzu offensichtlich betatschenden „Hilfestellungen“ aufdrängen. Nachträglich betrat er genau dann ihre Umkleidekabine, wenn sie halbnackt waren: „Hat hier vielleicht jemand das Klassenbuch gesehen?“ Um den Mädchen diesen Prollbock vom Leib zu halten, hätten wir alle lieber ständig das Distanz schaffende Prellball gespielt. Geglaubt hätte uns eh niemand. Und um dem Greifer einstweilige Prellungen beizubringen, waren wir ihm in der siebten Klasse körperlich noch zu sehr unterlegen. Auch für die potenziellen Turnbeutelvergesser unter uns, die einem zweifelhaft hart anfliegenden Volleyball eher auswichen, bevor er uns den Unterarm zertrümmerte, wäre Prellball vermutlich die angenehmere Sportart gewesen.
Denn Prellball ist Pingpong in Groß. Bevor der Ball per Faust oder Unterarm über die nur vierzig Zentimeter hohe Rundleine ins gegnerische Feld geprellt wird, muss er den Boden im Eigenfeld berühren. Auch das Zuspiel im Viererteam erfolgt nicht volley, sondern durch einmaliges Aufticken auf den Boden. Dadurch verliert der Ball etwas an Wucht und somit Unterarmzertrümmerungs- und jegliche Fingerwegknick-Gefahr. Trotzdem gewinnt der turnhallenbemuffte Prellball im Zeitalter cool ausgecheckter Individualsportarten und Härteideal-Posing nicht gerade an Popularität. Welcher Berliner Jugendliche nimmt ballantippenderweise schon gern die Strapaze auf sich, in einem VW-Bulli zum Backfischfestturnier in die Neurotthalle des TSG Ketsch zu tingeln. Prellball ist halt nicht sexy.
Dennoch kämpft der Zweitbundesligist VfK 1901 Charlottenburg im Internet steif, aber selbstbewusst um prellenden Nachwuchs: „Die langjährige Erfahrung der verantwortlichen Abteilungsleiter macht den Einstieg leicht und angenehm.“ Die Rückschlagsportart, die früher über eine umgedrehte Turnbank als Auflockerungsübung gespielt wurde, will mitreißen: „Prellball erfordert Ballgefühl, Geschicklichkeit, Beweglichkeit, dazu eine große Portion Mannschaftsgeist und Reiselust, denn die Turniere sind über das ganze Bundesgebiet verstreut.“ Und das funktioniert trotz zahlreich mitprellender Konkurrenz, die durch den TSV Marienfelde und ein Team der Berliner Turnerschaft sogar in der zweiten Liga Nord direkt auf den VfK trifft.
„Seit Jahrzehnten“, berichtet VfK-Vorsitzender Gunnar Hoppe, „zählen wir deutschlandweit zu den erfolgreichsten Vereinen in den Sparten Faustball, Prellball und Speckbrett.“ Außerdem muss es nicht immer darum gehen, flexibel sportarthoppenden Jugendlichen hinterherzutrauern. Es gibt noch andere Zielgruppen, zum Beispiel diejenigen, die das Prellballspiel noch als Schulsport erlebt haben. So richtet der VfK am 24. und 25. März die norddeutschen Meisterschaften der Senioren in der Romain-Rolland-Schule in Wittenau aus und hofft auf die Anmeldung zahlreicher Prellteams alter Schule. GERD DEMBOWSKI
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