k-frage entschieden: Stoiber ist kein Bajuware
Bundeskanzler Edmund Stoiber: Ist es vorstellbar, dass noch in diesem Jahr eine Nachrichtensendung mit diesen Worten beginnt? Ja. Es ist nicht einmal unwahrscheinlich. Allerdings sind Bedenken, die in den letzten Monaten gegen die Kanzlerkandidatur des CSU-Vorsitzenden geäußert wurden, nicht einfach gegenstandslos geworden, nur weil Angela Merkel endlich den überfälligen Schritt getan und ihrem Rivalen den Weg frei gemacht hat.
Kommentarvon BETTINA GAUS
Es ist wahr, dass Edmund Stoiber für den Teil des politischen Spektrums, der heute gerne als „Mitte“ bezeichnet wird, weniger attraktiv ist als für den rechten Rand. Wahr ist außerdem, dass der bayerische Ministerpräsident bisher ohne Koalitionspartner ausgekommen ist und deshalb die politische Tugend der Kompromissfähigkeit, die ihm ohnehin nicht gerade in die Wiege gelegt wurde, bisher nur selten brauchte. Darüber hinaus stimmt es, dass der nüchterne, strenge Aktenliebhaber kein Politiker zum Anfassen ist und sich leichter Respekt verschaffen als Zuneigung erringen kann.
Das muss jedoch kein Nachteil sein. Der Hinweis darauf, dass Franz Josef Strauß einst als Kandidat gescheitert ist, wird oft mit der Einschätzung verknüpft, ein Bayer könne in Deutschland eben nicht Kanzler werden. Wenn sich da nur niemand täuscht. Strauß polarisierte: Seine Anhänger liebten ihn, seine Gegner verabscheuten ihn. Derlei starke Emotionen ruft sein Nachfolger nicht hervor. Das wird ihm jetzt bei denen helfen, die gerne die Union an der Macht sähen, mit Bajuwarentum aber wenig anfangen können. Stoiber ist auch im Norden der Republik gesellschaftsfähig.
Abzuwarten bleibt, ob ihm sein konservatives Image am Ende tatsächlich schadet. Derzeit spricht vieles dafür, dass wirtschaftpolitische Themen wahlentscheidend sein werden. Ein immer größerer Teil der Bevölkerung hält gerade in diesem Bereich das traditionelle Rechts-links-Schema für überholt – und außerdem Kanzler Schröder gewiss nicht für einen Linken.
Stoiber gilt als erfolgreicher Ministerpräsident, und ihm wird nachgerühmt, viel von Wirtschaftspolitik zu verstehen. Vielleicht reicht das für den Sieg. Schließlich ist die rot-grüne Mehrheit sehr viel dünner, als die hohen Popularitätswerte von Kanzler Schröder und Außenminister Fischer zu signalisieren scheinen. Und was wird aus Angela Merkel? Schaun mer mal. Aber interessiert diese Frage eigentlich noch jemanden in der Union – außer ihr selbst?
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