juttas neue welt: Nie wieder WWWalnusseis!
„Jetzt reicht's!“ Dachte ich vor einigen Wochen morgens beim Zähneputzen. Auslöser meines finalen Gefühls war die Aufschrift www.theramed.de auf der Pastatube. Wie sollte ich jetzt und hier im Badezimmer mit Schaum vorm Mund und der Bürste in der Hand eine dentale Website aufrufen? Gibt es überhaupt jemand mit Internetanschluss im Bad? Und wieso sollte mich interessieren, was Theramed ins Web zahnt? Was interessiert mich überhaupt noch am Cyberspace, inquisitionierte ich mich und nahm auf der Badewanne Platz. Ich blickte zurück auf einen großen interaktiven Erfahrungsgoldschatz: Auf mein erstes Mal, meinen Besuch beim Cyberarzt, meine Programmierversuche und meine Begegnungen mit debilen Dialogboxen. Und stellte fest: „Ich habe jede Internetseite mindestens einmal gesehen und alles, was es zu erleben gibt, erlebt. Ich bin netzmüde.“
Es war dasselbe Gefühl wie damals beim Walnusseis: Einen ganzen Sommer lang musste ich jeden Tag zwei bis drei Kugeln Walnusseis essen – bis ich es plötzlich nicht mehr sehen, geschweige denn verzehren konnte. Ich hatte eine Walnusseisallergie. Nasüberfüllung, war meine Diagnose, und ich bin bis heute freiwillig auf Entzug. Mir dämmerte: Das Internet sollte mein zweites Walnusseis werden.
Aber wie soll ich bloß Kolumnen über mich im Web schreiben, wenn ich da nicht mehr reinwill? OK, ich könnte nach wie vor über meinen Freund Steffen Auskunft geben, der – einst onlinesüchtig – sich aber auch gerade verstärkt irdischen Dingen zuwendet. Oder berichten, wie ich die Mitbewohnerin zur Einrichtung einer GMX-Adresse zu überreden versuche. Sie aber rumheuchelt, das Internet würde sie überhaupt ganz und gar nicht jucken.
In Wirklichkeit hat sie Angst, ich würde an dieser Stelle komische Sachen über sie schreiben. Und ich vermute, dass sie heimlich im Internetcafé eine Mail-Affäre pflegt. Bliebe noch Petra E., die nur noch mit ihrem neuen geblümten Mac schäkert und ihren Freund vernachlässigt. Aber das geht eigentlich niemanden was an. So brechen mir sämtliche Informationsquellen weg.
Außeralledem ist mir bis heute kein knalliges Teekessel-Wort für Internet eingefallen: Immer wieder Cyberspace, WWW, Web und Netz zu schreiben, ist auf Dauer ziemlich einfallsarm. Und macht weder mich noch den Leser zu glücklicheren Menschen. Man muss einfach auch mal was anderes machen, als immer nur Internetkolumnistin zu bleiben. Ich würde zum Beispiel gerne mal wieder ausschlafen, als Fahrradkurierin arbeiten, Redakteurin für besonders besondere Aufgaben sein und vielleicht doch endlich Rockstar werden. Da ich mich aber nicht verzetteln möchte, werde ich in Zukunft dieses Kästchen nicht mehr beschriften.
Zum Abschied möchte ich aber noch kurz ein Geheimnis lupfen: Eigentlich hätten alle Verantwortlichen sofort vor mir gewarnt sein müssen. Denn bereits anlässlich der Nachgrübelungen über einen Name für diese Kolumne erwies ich mich als äußerst netzuntauglich. Schickte ich doch alle Vorschläge, die ich gemeinsam mit dem mir zugeteilten Ältestenrat aussinniert hatte, an die falsche E-Mail-Adresse. Darunter auch meine Favoriten „Klick & Rush“, „Juttas Seitensprünge“ und „Proxy Music“. Am nächsten Tag war ich ziemlich überrascht, dass ich in „juttas neuer welt“ gelandet war, was ich sehr veronafeldbuschig fand. Doch ehrlich gesagt: Ich habe mich immer saupudelwohl darin gefühlt. Und jetzt, da zumindest das Ende dieser Welt erreicht ist, tut mir das irgendwie doch ein bisschen Leid. JUTTA HEESS
<der redakteur>: *snief* ach jutta! cu l8er... :-))
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