jobrotation: Modell mit Zukunft
In dieser Zeit sind alle unglücklich, schreibt Frédéric Beigbeder in seinem neuen Roman „39,90 Mark“: die Arbeitslosen, weil sie keine Arbeit haben, und die Arbeitenden, weil sie so viel arbeiten müssen. Das klingt banal, aber es beschreibt treffend den real existierenden Kapitalismus. Zu begrüßen ist alles, was diesen krank machenden Zustand wenigstens lindert: die Jobrotation zum Beispiel.
Kommentar von RICHARD ROTHER
Das Idee stammt aus Dänemark – wie vieles, was auf einen sozialstaatlichen Ausgleich von Kapital und Arbeit setzt. Der Kern der Idee, die jetzt in einem Berliner Modellprojekt forciert werden soll: Tritt ein Beschäftigter vorübergehend aus dem Betrieb aus, um sich weiterzuqualifizieren, so nimmt ein Arbeitsloser die Stelle vorübergehend ein. Der Staat beziehungsweise die Arbeitslosenversicherung übernehmen einen Teil der Lohnkosten.
Am Ende haben alle etwas davon – eine Double-win-Situation: der Beschäftigte, weil er aus seinem beruflichen Alltagsstress herausgekommen ist und sich weitergebildet hat; der Betrieb, weil er ohne Personalausfall einen besser qualifizierten Mitarbeiter erhält; der Arbeitslose, weil er Berufserfahrung gesammelt und seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert hat; der Staat, weil so die Arbeitslosigkeit insgesamt zurückgehen könnte.
Bisher allerdings haben gerade mal 252 Arbeitslose der Stadt bei diesem Modellprojekt mitgemacht – in den Betrieben herrscht oft Unverständnis gegenüber eher ungewöhnlichen Maßnahmen. Die Bundesregierung wird zudem erst zu Beginn des nächsten Jahres die Jobrotation als arbeitsmarktpolitisches Regelinstrument einführen. Genügend Zeit also, in den Berliner Betrieben für das Modell zu werben. Damit ein unglückseliger Zustand gebessert wird: dass den einen die Decke auf den Kopf fällt und die anderen nicht wissen, wo er ihnen steht.
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