: jenni zylka über Sex & Lügen Mit Spaßvögeln Lachnummern schieben
Beim Vorspiel ja, beim Nachspiel auch. Aber mittendrin ist im Bett nicht gut witzeln
Vor einiger Zeit bin ich einmal vor Lachen vom Stuhl gefallen. Das war in einer Autobahnraststätte, ich saß mit ein paar Freunden über der Speisekarte und las: „Heute: frischer Leichnam“. Natürlich stand da „Heute: frisches Deichlamm“, und der Witz ist nicht nur im Rückblick mehr als mäßig. Aber damals, jung, übermüdet und albern wie zehn RTL-II-The-Dome-Besucherinnen, konnte ich mich nicht mehr auf dem unbequemen Plastikbänkchen halten und rutschte zusammengekrümmt auf den Boden. Und die andern lachten natürlich spätestens, als ich so dämlich auf diesem schmutzigen Raststätten-PVC herumschubberte.
Leider ist mir so etwas Ähnliches auch schon mal nachts passiert, bloß dass ich statt vom Stuhl vor Lachen aus dem Bett gefallen bin, angetrunken, aufgekratzt und mit einem netten, willigen Menschen in meiner unmittelbaren Nähe. Wir hatten beide einfach zu viele Witze gemacht. Doch statt dass alle Beteiligten entspannend freuten, verkrampfte sich der Bettbesuch, ich natürlich auch, und es gelang uns nicht mehr, die nötige Spannung wieder zureichend aufzubauen. Was sehr schade war. Ich habe damals eine Menge gelernt. Erstens: Lachen entspannt zwar. Aber zweitens: Zu einem körperlichen Kopf-an-Kopf braucht man ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit. Und darum drittens: Auch wenn es noch so verlockend ist, mit jemandem rumzublödeln, muss man es bei der Annäherung auf weniger als drei Zentimeter einstellen. Sonst wird die Nummer eine Lachnummer.
Diese Erkenntnis wurmte mich eine ganze Weile. Wieso kann man nicht gleichzeitig mit dem körperlichen auch noch geistigen Spaß haben? Bedeutet das, dass bei einer kleinen Beiwohnung immer nur einer albern sein darf und der andere den nötigen Ernst aufbringen muss? Und dass also eine Ménage à deux mit dem für mich lustigsten Mann der Welt (sagen wir mal Andy Kaufman, gesetzt den Fall, er sei lebendig) nicht in Frage käme, mit dem ernstesten Mann der Welt (sagen wir mal Rick Moody, gesetzt den Fall, er sei attraktiv) allerdings wilde Leidenschaft möglich wäre? Kann Humor Leidenschaft töten?
Wenn man dieses Phänomen historisch-soziologisch betrachtet, fallen mehrere Dinge auf. Normalerweise ist es ja immer so, dass die teilweise unerklärlichen Verhaltensweisen von Menschen auf einen extrem hintergründigen und schlauen genetischen Code zurückzuführen sind, den Mutter Natur für uns verschlüsselt hat, siehe das Kindchenschema, siehe die angeblich genetisch bedingte Promiskuität bei männlichen Säugetieren (um eine möglichst große spread the semen range zu erreichen) oder siehe die Eigenart von Säugern, sich immer die Partner zu suchen, deren Gene sich von ihren eigenen größtmöglich unterscheiden. Aber warum sollten nicht zwei Spaßvögel zusammenkommen können? Vielleicht, laienforschte ich mich durch die windigen Gehirngänge der Evolution, kämen bei doppelt albernen Pärchen nach ein paar Generationen nur noch Clowns heraus, und zwar mit den zu großen Schuhen zuerst. Schreckliche Vorstellung. Das Baby würde einen vermutlich zur Weißglut bringen, würde ständig vom Wickeltisch aus durch diese blöden Ansteckblumen spritzen und sich konsequent neben das Töpfchen setzen. Der einzige Vorteil wäre vermutlich, dass man den Babyclown in seine spätere stramplerartige Berufskleidung hereinwachsen lassen könnte. Vielleicht ergibt aber auch plus mal plus in diesem Fall minus, und aus zwei albernen Eltern entstünde das traurigste Kind der Welt, das einzig und allein wegen der schrecklichen sozialen Missstände auf der Welt schreit, und dessen erstes Wort „Ungerechtigkeit“ ist.
Natürlich kann und soll man im Vorfeld, also bei der Anmache, witzeln, auch bis zum Bett hin wird noch der eine oder andere Spruch akzeptiert. Und danach, habe ich festgestellt, ist übrigens auch wieder Platz für Humor: Der Bettgespiele zeigt einem seine komischen Platt-Spreiz-Senk-Knick-Zehen, oder man singt zusammen alle Strophen von „In einen Harung jung und schlank“. Nur dabei sollte man sich anscheinend stets verhalten wie von Daphne Du Maurier erdacht: Wilde Leidenschaft übermanne einen, tiefe Seufzer entringen sich der schwer atmenden Brust, Leiber verkrampfen sich, Brüste sehen aus wie Rehzwillinge an kleinen Weihern usw.
Ich werde zwecks genauerer Analyse doch mal die Frau von Helge Schneider anschreiben müssen. Oder die von Heinz Erhardt. Und bis dahin werde ich es eben weiter mit den Trauerklößen halten. Schließlich: Das eine will man, das andere muss man.
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