jenni zylka über Sex & Lügen : Nichts los im Humidor
Ältere Millionäre bitte „Hier!“ schreien. Wie soll man denn sonst seinen Traummann finden?
Schon wieder einer tot, den man hätte heiraten können: Philipp Rosenthal, der Porzellan-Multi. Ich meine das ehrlich, ich habe vor langer Zeit einmal eine Home-Story über den sympathischen und agilen Herrn Rosenthal gelesen und dabei festgestellt, dass er und ich genau den gleichen Kunstgeschmack haben! All die Skulpturen und Bilder aus meinen in der Stadtteilbibliothek geklauten Kunstbänden stehen und hängen bei ihm herum. Zudem würde ich mich hervorragend in einem Leoparden-Strickbikini auf seiner wunderschönen Veranda machen. Damals wuchs in mir das erste Mal der Gedanke, einen älteren Millionär zu heiraten.
Was relativ spät ist für einen solchen Gedanken. Andere Frauen denken schon ihr ganzes Leben lang darüber nach, stecken sich früh Glibberbeutel in die Möpse, suchen sich irgendeinen texanischen Trottel und streiten sich nach seinem Tod mit dessen Familie herzhaft über das Erbe, medioker unmoralisch, wenn man mich fragt.
Bei mir und Philipp wäre es anders gewesen, da war ja eine richtige, gemeinsame Basis auszumachen: die Liebe zu moderner Kunst. Zugegeben, er war schon vergeben, ich hätte also nicht unbedingt ein leichtes Spiel gehabt, und nur, weil einer Skulpturen sammelt und den spaßigen Gesichtsausdruck von Erdal Inönü, dem ehemaligen türkischen Außenminister, hat, muss er mir nicht gleich verfallen. Vielleicht hätte ich meine Tätigkeit ohnehin auf die der Biografin eingegrenzt, das ist unverfänglicher, und man kann trotzdem im Schloss Erkersreuth bei Selb in Oberfranken zwischen all den Studio-Line-Tassen und abgelegten SPD-Landtagsprogrammen weilen.
Doch der Gedanke besticht, und die Rolle der viel zu jungen, komplett dämlichen Ehefrau, die nur aus Prestigegründen eingekauft wird oder, vielmehr, sich den alten Mann allein durch ein paar besonders weibliche Attribute sexuell hörig machen kann, ist faszinierend. Wie wird man nur eine solch skrupellose Sexbombe?
In meinem Bekanntenkreis gibt es leider überhaupt keine Recherchemöglichkeiten, alle Frauen, die ich fragte, wandten sich schaudernd von der Vorstellung ab, mit einem hässlichen Mann nur des Geldes wegen ein Match zu machen. Eine nicht gerade kleine, ich würde sogar sagen, signifikante Gruppe von befreundeten Frauen stellte jedoch fest, dass sie einem hübschen, netten und sexy Millionär wie Robert Redford im gleichnamigen Film sein unmoralisches Angebot nicht nur nicht ausschlagen würde, im Gegenteil, für ihn wäre sie sogar bereit, eine gewisse Summe zu blechen. Aber ob auch Anna-Nicole Smith investieren musste?
Wenn reiche, ältere, mit jüngeren Sexbomben verheiratete Männer zu meinem Bekanntenkreis gehörten, hätte ich dort weitergeforscht. Doch ich kenne keinen einzigen.
Um diese eheversprechenden Ausnutzdamen zu finden, trieb ich mich also vor einem teuren Fitnessstudio in Ku’damm-Nähe herum und wartete vergeblich darauf, dass allzu junge, allzu blonde Frauen von dicken Limousinen abgeholt wurden. Ich ging zu Unzeiten (beispielsweise vormittags) in Juweliergeschäfte und beobachtete die Kundinnen. Es kamen fast nur nette Touristenehepaare. Ich fuhr meinen Polo vor einen Golf-Club und kurz darauf meinen Golf vor einen Polo-Club, aber Frauen hatten in beiden keinen Zutritt. Liegen solche Damen etwa ohnehin den ganzen Tag am privaten Pool, wahlweise unter den geschickten Händen des jungen, behaarten, angemieteten Masseurs? Wie sind sie bloß dorthin gekommen?
Auch ein Selbstversuch schlug fehl. Zwar hatte ich mir ein beträchtliches Vokabular zugelegt, konnte auf Kommando „Oh, Daddy“ bzw. „Oh, Sugardaddy“ hauchen und steckte sogar in einem besonderen Wunder-BH, der über einen kleinen Knopf am Jadebusen verfügt, wenn man da draufdrückt, dann ist der Busen plötzlich ganz woanders und sieht auch völlig anders aus. Habe ihn fast nicht wiedergefunden bzw. -erkannt.
Trotz teurer Ausrüstung und minutiöser Vorbereitung musste ich jedoch nach ein paar langweiligen Abenden in den Foyers, Humidoren und Rauchsalons teurer Hotels, bei Verleihungen, Stiftungspartys, Pferderennen, in Yachthäfen und auf Jagdschlösschen feststellen, dass es nicht so geht. Ältere, heirats- und sterbewillige Millionäre lassen sich schwerlich erlegen wie eine Trophäe.
Das Netz der Leidenschaft ist viel zu großmaschig geworden. Heutzutage verfällt man nicht mehr einfach einer Lola Montez und gibt dafür sämtliche Ämter auf, um verschuldet als geifernder Sklave seiner Libido zu verenden. Stattdessen sind ältere Männer hochaktiv bis zum Tod, kauen Knoblauchpillen gegen den Teufel Weib, treiben statt Schindluder mit fremden Frauen lieber Sport mit ihresgleichen und sind im Übrigen genauso zufrieden in ihrer Monogamie wie Menschen jedes Alters.
Was im Umkehrschluss bedeutet, hmmm, nun ja, vielleicht sollte ich dem Wunder-BH doch noch eine Chance geben.
JENNI ZYLKA
Fragen zu Sex & Lügen?kolumne@taz.de
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