jagoda abgelöst: Ein Happy End ist nicht das Leben
Das Wichtigste an einer Geschichte ist immer der Schluss. Möglichst ein Happy End. Oder wenigstens eins, das so aussieht. Bundeskanzler Gerhard Schröder, der Erzähler mit den meisten Zuhörern im Land, hat es geschafft, der Story um die Bundesanstalt für Arbeit einen solchen Schlusspunkt zu verschaffen. Und er hat dafür gesorgt, dass dies jetzt nach einer großen Leistung aussieht. Seiner eigenen.
Kommentarvon BARBARA DRIBBUSCH
Schröder hat gemacht, was überfällig war: Bernhard Jagoda, der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, in der man jahrelang bewusst Statistiken fälschte, wurde abgelöst und durch den SPD-Landessozialminister Florian Gerster ersetzt. Schröder hat angekündigt, die Bundesanstalt in ihrer Struktur grundsätzlich zu reformieren. Sie soll künftig mehr wie ein Dienstleistungsunternehmen und weniger wie eine Behörde geführt werden. Die künftigen Vorstände werden keine Beamten mehr sein.
Schröders Botschaft ist klar: Weg mit dem, was viele Bürger so hassen, nämlich Spitzenbeamte, die nur auf ihre Pfründen aus sind, und Behörden, die sich gar nicht um die Bürger kümmern und jetzt auch noch ihre Erfolgszahlen schönen. Die alte Zankgeschichte „Beamte gegen die Restbürger“ fand so ein vorläufiges Happy End. Doch nach jedem Happy End beginnt das wahre Leben. So auch jetzt.
Denn mit der Einsetzung von Florian Gerster und den angekündigten Strukturreformen setzt Schröder ein politisches Signal. Gerster hat sich in seiner früheren Funktion als SPD-Landessozialminister für mehr Niedriglohnzuschüsse, eine zeitliche Begrenzung des Arbeitslosengeldes auf ein Jahr und eine Reform der Arbeitslosenhilfe ausgesprochen. Er vertritt die Position, die Arbeitsämter sollen künftig mehr zu einer Vermittlungsinstitution als zu einer Institution für materielle Hilfe werden. Doch neue Jobs entstehen damit bekanntlich nicht.
Der wirkliche Streit um die „Reformen“ hat daher erst begonnen. Es sind nicht die Umbesetzungen und Umschichtungen in der Bundesanstalt, sondern die Debatte um die Arbeitslosenunterstützung, bei denen Schröder sich politisch zeigen muss. Doch das kann eine eher düstere Angelegenheit werden. Keine Geschichte mit Happy End, das der Kanzler mal eben so im Sinne aller Wähler gestalten könnte. Und daher schlecht geeignet für einen Wahlkampf.
Schiebt Schröder diesen Streit daher noch ein bisschen auf bis nach der Bundestagswahl im September oder nicht? Das ist die neue spannende Frage.
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