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Archiv-Artikel

irak Der Krieg erreicht Rom

Nun hat es auch Italien getroffen, und gleich auf die denkbar schlimmste Weise. Mindestens 15 Särge werden in den nächsten Tagen aus dem Irak zurückkehren, 15 Särge, die klar machen, dass im Irak Krieg herrscht und dass Italiens Truppen an der Seite der USA Partei sind in diesem Krieg – und dass dieser Krieg auch unter den Italienern seine Opfer fordert. Opfer, die bisher nicht einkalkuliert waren.

Kommentar von MICHAEL BRAUN

Seit Beginn des Konfliktes vor gut einem Jahr hat Silvio Berlusconi zielstrebig die Strategie verfolgt, sich einerseits als treuer Verbündeter der USA zu positionieren, als Herold des „neuen Europa“, und sich doch so weit wie möglich herauszuhalten. Beim Angriff selbst war Italien nicht dabei, und dann entsandte es seine Truppen in den vermeintlich sicheren Südirak.

So schienen gleich zwei Ziele erreicht: der maximale Ertrag als Kriegsgewinner bei minimalen – auch menschlichen – Kosten für diesen Sieg. Auch in den letzten Monaten fielen die Opfer bei den Amerikanern an – nicht aber bei den Italienern. Das war umso wichtiger für Berlusconi, als die italienische Öffentlichkeit überwiegend klar gegen den Irakkrieg war. Diese Rechnung geht seit gestern nicht mehr auf: Italienische Soldaten sind nun genauso wie US-Einheiten das Ziel der Anschläge.

Und genauso wie die US-Spitze reagiert jetzt auch Berlusconi: mit Durchhalteparolen. Weitermachen wie bisher, das war gestern die Botschaft durchweg aller Regierungsvertreter in Rom. Doch allzu viel sollte Bush auf diesen erneuten verbalen Schulterschluss nicht geben. Er selbst weiß, wie schnell die Stimmung angesichts fortgesetzter Anschläge, angesichts immer neuer Toter kippen kann. Und Berlusconi weiß, dass er anders als Bush schon im Ausgangspunkt nicht auf eine „patriotisch“ gestimmte Bevölkerung zählen kann, die den Irakeinsatz gutgeheißen hätte. Jetzt, in den Tagen der Trauer, wird sich die Mehrheit der Italiener wohl tatsächlich „um die Carabinieri scharen“, wie es viele Politiker aus den Regierungs- wie auch aus den Oppositionsreihen fordern. Jetzt noch sind die Stimmen in der Minderheit, die den sofortigen Abzug aus dem Irak fordern. Doch spätestens nach einem zweiten, gar einem dritten Anschlag wird Berlusconi sich enormem Druck ausgesetzt sehen: dem Druck all derer, die schon den Krieg nicht gewollt haben und die angesichts der Toten immer lauter fragen werden, warum Italien eigentlich bei dem US-Abenteuer dabei ist.