■ intershop: Der Berg kreißte und gebar eine Maus Ingerlise Andersen
Ehrlich gesagt, das ärgert mich. Jetzt haben mehrere Wochen lang riesige Plakate mit nichtssagenden bis hässlichen Motiven im Straßenbild meine Auge beleidigt. An den Plakaten der Parteien rechts außen konnte mein Hund nicht mal das Bein heben, die waren von den Wahlhelfern fürsorglich ganz hoch in den Laternenpfählen angebracht worden. In meiner Zeitung musste ich den Lokalteil gut durchsuchen, um Lesestoff zu finden, der nichts mit der Wahl zu tun hatte, und im Radio und Fernsehen dudelten dauernd Wahlsendungen und Parteienspots. Am Sonntag war endlich der große Tag – und alles bleibt beim Alten.
Zwar sagt die CDU, dass sie historisch gewonnen habe, die SPD, dass sie aus dem tiefsten Tief heraus sei, die PDS, dass sie endlich den Durchbruch in West-Berlin geschafft habe, und die Grünen versuchen, ihre Niederlage klein zu reden. Ändern aber wird sich nichts. Deshalb muss ich es wohl für mein Seelenheil mit positivem Denken versuchen.
Fangen wir also an: Zum ersten Mal habe ich eine Berliner Wahl erlebt, wo die sogenannte Ausländerfrage kaum eine Rolle spielte. Junge-Union-Spunde versuchten zwar vor einigen Wochen Kreuzberg deutsch zu machen, aber sie wurden ja von der eigenen Partei gestoppt. Mit Gemüse- und Wurstfotos wollten die Grünen auf den positiven Multikulti-Einfluss von uns Ausländern aufmerksam machen. Ich verstand aber nie den tieferen Sinn – und die Wähler offenbar auch nicht.
Pluspunkt Nr. 1: Ausländer und Flüchtlinge gehören in der Hauptstadt so zur Normalität, dass sie nicht einmal ein Wahlkampfthema sind, und „Republikaner“ und NPD mit ihren hoch gehängten Plakaten bleiben draußen. Pluspunkt Nr. 2: Die Berliner haben bewiesen, dass man sich auf sie verlassen kann. Regierungshauptstadt oder nicht, sie bleiben wie sie sind. Die Koalition mit Diepgen an der Spitze darf noch mal ran, und die Berliner können fünf Jahre lang weiter meckern. Das ist wirklich Schnauze mit Herz: Schimpfen und doch nichts tun. Intershop erscheint in Zusammenarbeit mit SFB/Radio Multikulti
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