piwik no script img

im bio-rind-und-schweine-shop

von JÜRGEN ROTH

Frau Konwill war zwei Jahre am Tresen des Reisigheimer Bio-Rind-und-Schweine-Shops Jungson, Tröppl & Co. aktiv gewesen. Die Hirnwurst- und Presssackspezialistin tätigte die Kassenobliegenheiten. Sie kontrollierte die baren Geldvorgänge hinter der Theke des florierenden Hack- und Grillspießhandels. Ihr Fingertipping wirkte sehr grazil, funktionierte indes nicht stets punktpräzise. Als sporadische Beratungskraft besaß sie großes Vertrauen bei der Kundschaft, welches sie jedoch hinsichtlich des Geschäftspaares Jungson und Tröppl peu à peu zu verspielen begann. Einmal bonierte Frau Konwill einen Hochzeitsschinken statt für 36 Mark für 36 Pfennig, ein Missgeschick, das die Monatsabrechnung der hellwachen Ladenleiter an den Tag brachte, und weil Frau Konwill einen fremden Fleischgeschenkscheck als eigenen durch die Registrierung marschieren ließ, wurde sie deftig abgemahnt.

Vorausgegangen waren jener Verfehlung etliche Delikte, etwa der Art, dass Frau Konwill beispielsweise, meckerte Frau Tröppl in ihren affenarschscharfen Lederhosenröhren, pausenlos recht müde am Arbeitsplatz erschiene. Aus dieser vielleicht ja narkoleptischen Neigung, dozierte der feinädrige Herr Jungson, erwüchse durchaus ein Hinausschmissgrund dahingehend, das „Verhältnis“ eventuell lösen zu müssen. „Frau Konwill“, sprach der dörrdünne Jungson, „gerne gäbe ich Ihnen jetzt einen Cappuccino aus, aber wenn das, Frau Konwill, so weitergeht, müssen wir in Zukunft auf Sie verzichten. Ich möchte keine Reklamation vom Fleischvertrieb Müller mehr kriegen.“

Seine nebendran lauschende „Gespielin“ schritt da indes vor dem Schlimmsten noch mal ein und lachte deshalb zunächst aus dem unterm kurzgeschorenen Kopf erstaunlich jung bebenden glatten Hals höllisch irgendwas hervor. Dann beabsichtigte sie zu weinen. Dann befahl sie Frau Konwill, die willens war, alles zum Vergnügen der beiden Turtelmanager zu erledigen, einige nun unvermeidliche „Strafarbeiten“ zu verrichten. Die „neuesten Fleischprospekte“ seien zu „stempeln“ und sämtliche Regale des Bio-Rind-und-Schweine-Geschäfts zu „entwursten“ und die wöchentlich angehäuften Steakberge „kritisch umzustapeln“.

Frau Konwill tat dies. Währenddessen becircte Bonvivant Jungson Azubis allerlei Geschlechts. Dabei spendierte der inflammierte Modelleisenbahnphotograph mehrere fidele Runden Cappuccini. Und das für 11,83 Mark pro Stunde, dachte Frau Konwill. Sie beschuldigte sich ungemein. Zuvor aber kam ihr das Schicksal. Der Fleischvertrieb Müller klingelte Frau Konwill an und erklärte, sie, Konwill, sei nicht länger tragbar. Seitens Konwill nachgefragt bei Tröppl, flötete Tröppl telephonisch, Konwill sei „äh – schwer zu – äh – zu halten“, doch der Laden sei jetzt brechend voll, sie rufe zurück. Schnepfelte Frau Tröppl auch die Woche drauf. Und Frau Konwill ging statt zur Registrier- zur Espressomaschine. Endlich einen richtigen Kaffee!

Seither schweigt Jungson, Tröppl und Co. Die Messer werden wohl weidlich gewetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen