: h.g. hollein Notarzt
Die Frau, mit der ich lebe, ist bisweilen schmerzempfindlich. Da trifft es sich gut, wenn man einen Doktor im Haus hat. Der hat zwar nur über die Bildsprache der athenischen Demokratie promoviert, aber für die Zipperlein der Gefährtin bin ich mit „Alphateam“, „Schwester Stefanie“ und „Herzschlag“ di- agnostisch allemal gerüstet. Zudem möchte ich die Kollegen mal sehen, wenn ihnen bei der Anamnese nichts anderes zur Verfügung steht als ein nachdrückliches „Au Au Au“ plus einem vorwurfsvoll auf den linken kleinen Zeh gerichteten Zeigefinger. Da helfen keine zwei Milligramm Diacepan, kein Kreuzblut und kein CT in zwei Ebenen. Der robuste Zugriff des Landarztes schon eher. Kneten, zwirbeln, strecken lautet der bewährte therapeutische Dreischritt. In kritischen Fällen muss allerdings auch schon mal die Mund-zu-Zeh-Beatmung her, was die Moribunde noch jedes mal kichernd wieder zurückgeholt hat. Bedenklich ist allerdings eine gewisse latent erotische Fixierung der Patientin. Sollte sich der angeschwärmte Medicus nach Ende der Visite zu profanen Nebentätigkeiten wie dem Abfassen einer Steuererklärung oder der Aufarbeitung des Abwaschs in den Verwaltungstrakt zurückgezogen haben, ertönt regelmäßig aufs Neue jenes bereits bekannte klagende Au. Da trifft es sich gut, wenn just in solchen Zeiten eine Freundin zum Besuch ansteht. Der Hinweis auf eine drohende Doppelbelegung hat noch immer wundersam heilende Wirkung gehabt.
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