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heute in hamburg„Armut ist ein Risikofaktor“

Vortrag „Irre menschlich Hamburg – eine trialogische Bürgerinitiative“, Uni Hamburg: ab 20 Uhr abrufbar unter https://t1p.de/gic5

Interview Arne Matzanke

taz: Frau Nixdorf, macht das Leben in Hamburg krank?

Rebecca Nixdorf: Urbanität einer der größten Risikofaktoren für psychische Erkrankungen. Was führt dazu, dass Menschen in Großstädten häufiger in Krisen geraten? Ein Faktor ist Einsamkeit. Soziale Ungleichheit ist ein zweiter Faktor. Reizüberflutung durch einen Überfluss an Geräuschen und visuellen Eindrücken wirkt verstärkend, weniger als Ursache.

Ist es richtig, von psychischer Erkrankung zu reden?

Grundsätzlich gehe ich für meine Arbeit von einem Kontinuum aus – also ein Mensch ist nicht prinzipiell gesund oder krank, sondern befindet sich aufgrund bestimmter Voraussetzungen in Ausnahmesituationen oder nicht. Manchmal haben wir kein besseres Wort.

Sind Menschen aus ärmeren Stadtteilen häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen?

Armut ist ein Risikofaktor. Gleichzeitig finden wir auch einen Anteil psychischer Erkrankungen bei Menschen, die sehr reich sind. Ein großer Unterschied besteht in der Zugänglichkeit von Wissen und Hilfe. Reichere Menschen haben häufig bessere Voraussetzungen zu erkennen, dass sie Hilfe brauchen und ein starkes soziales Netz, in der sie diese bekommen.

Was muss die Politik tun, um Menschen in ärmeren Stadtteilen zu schützen?

Wir brauchen mehr niedrigschwellige Angebote, die gibt es nicht genug. Auf der Veddel gibt es beispielsweise die Poliklinik, wo Menschen einfach ohne Termin hingehen können. Die Leute können dort Vertrauen in ein System aufbauen, welches sie vorher nicht berücksichtigt hat. Sie können sich informieren und so persönliche Ängste minimieren. Gerade vor der Psychiatrie haben viele Menschen Angst.

Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich auf einen Menschen in einer psychischen Ausnahmesituation treffe?

Zunächst sollte man immer so handeln, dass man sich sicher und wohl fühlt. Wenn alles passt, ist es hilfreich aufeinander zuzugehen, Hilfe anzubieten: „Hier ist gerade viel los, kann ich dir helfen?“ Die Betroffenen können dann entscheiden, ob sie ja oder nein sagen. Allerdings ist die Hürde in solchen Situationen einzuschreiten sehr hoch, weil psychische Erkrankungen häufig mit Aggressivität verbunden werden. In den meisten Fällen stimmt das jedoch nicht.

Rebecca Nixdorf

28, ist Co-Leiterin der Arbeitsgruppe sozialpsychiatrische und partizipative Forschung am UKE und setzt sich im Verein „Irre menschlich Hamburg“ für die Entstigmatisierung von Menschen mit psychischer Erkrankung ein.

Wie kann diese Stigmatisierung aufgebrochen werden?

Die Situation verändert sich sehr langsam. Obwohl wir heute deutlich mehr über psychische Erkrankungen wissen und auch die Prognosen für die Behandlung besser werden, ist das Stigma immer noch hoch. Ich glaube, dass nur die Begegnung hilft – wie bei so vielen Formen der Diskriminierungen.

Hat sich der Umgang mit psychischen Erkrankungen seit Corona verschärft?

Durch die Kontaktbeschränkungen sind viele Angebote weggefallen, was sich natürlich auf die Betroffenen auswirkt. Mir persönlich ist aufgefallen, dass sich viel mehr Menschen mit ihrer Psyche befasst und Hilfe gesucht haben. Aus diesen als negativ empfundenen Gefühlen kann jedoch auch Verständnis für die Ausnahmesituation anderer entstehen.

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