piwik no script img

heute in hamburg„Arbeiter werden geopfert“

Zoom-Online-Screening: 18.30 Uhr, danach Künstlerinnengespräch. Anmeldung: presse@kunstverein.de

Interview Alexander Diehl

taz: Herr Tammens, wer ist Doruntina Kastrati?

Nicholas Tammens: Doruntina Kastrati, geboren 1991 in Prizren, ist eine Künstlerin aus dem Kosovo, deren jüngste Arbeiten sich auf die Analyse der unterregulierten Arbeitsmärkte in der Region konzentrieren. Kastrati kommt zu dem Schluss, dass diese Arbeiter für das öffentliche Wohl geopfert werden und deshalb als Helden anerkannt werden sollten. Menschen verlieren ihr Leben durch Arbeit und fehlende Vorschriften – manchmal arbeiten sie zwölf, 13 oder sogar 24 Stunden am Tag.

Zwischen 2018 und Juli 2019 starben so mehr als 50 Menschen.

Wie Kastrati diese Arbeiter darstellt, ist eine Art Geste in Richtung Denkmal und historisches Gedächtnis. Sie verweist auch auf die Denkmäler des jugoslawischen Arbeiters, die heute von einer neuen Gesellschaft und ihren Werten widerlegt werden.

Der Film, den Sie heute streamen, aber auch Kastratis skulpturale Arbeiten in der (geschlossenen) Ausstellung befassen sich mit der menschlichen Dimension von Arbeitsunfällen. Wie geht sie dabei vor?

Sie befragt lokale Bauarbeiter über die Situation an ihren Arbeitsplätzen und die Auswirkungen auf ihr persönliches Leben, ihre Familien, ihren Körper und ihre Gesundheit. Kastrati betrachtet, so würde ich sagen, ein strukturelles Problem – prekäre Arbeitsverhältnisse, ein unterregulierter Arbeitsmarkt – aus der Sicht der persönlichen, subjektiven Erzählung.

Wie einzigartig ist das da Beschriebene?

Nicholas Tammens,1989 geboren, ist Assistenzkurator im Kunstverein Hamburg.

Die Situation im Kosovo ist natürlich aufgrund von Dingen wie neoliberaler Arbeitspolitik, dem „Offshoring“ von Produktion global verflochten. Das wirtschaftliche Ungleichgewicht ist sicherlich eine Auswirkung von Entscheidungen, die überwiegend vom Globalen Norden getroffen werden. Die Rechte der Arbeitnehmer sind aber ganz allgemein auf einem historischen Tiefstand.

Was macht Kastratis Behandlung solcher Themen zur Kunst – im Gegensatz etwa zu einer freien Form des Journalismus?

Kunst wird immer durch ihren Kontext definiert und kann heutzutage jede Form und Funktion einnehmen. Die Figur der Künst­le­r*in ist heute etwas Besonderes, weil Künst­le­r*in­nen diese Methoden – wie den Journalismus – mit einer Freiheit und Subjektivität betreiben können, die reguläre Berufe nicht zulassen würden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen