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heute in hamburg„Kunst ermöglicht andere Ausdrucksmittel“

Yasemin Karakaşoğlu 55, ist Erziehungswissenschaftlerin und leitet das Fachgebiet Interkulturelle Bildung an der Universität Bremen.

Interview Paula Bäurich

taz: Frau Karakaşoğlu, kann Kunst Machtstrukturen in der Gesellschaft umordnen?

Yasemin Karakaşoğlu: Kunst kann auf jeden Fall Hinweise darauf geben, wo es nötig ist, umzuordnen. Dazu kann sie uns zeigen, was wir mit unserem Verhalten im Alltag bewirken, was uns meistens gar nicht bewusst ist. Kunst ist also in einer demokratischen, pluralen Gesellschaft sehr wichtig, um uns auf Missstände aufmerksam zu machen.

Wie macht sie das?

Kunst kann andere Ebenen der Wahrnehmung ansprechen, indem sie zum Beispiel erschüttert. Um sich tief verinnerlichte Haltungen oder Verhaltensweisen bewusst zu machen, braucht man künstlerische Mittel. Wenn Informationen nur aufgegriffen werden, heißt das nicht, dass das auch zur Reflexion anregt. Kunst hat durch Irritation und Erschütterung andere Möglichkeiten, uns zum Nachdenken anzuregen.

Kunst erfüllt also die Aufgabe, auf bestehende politische Strukturen aufmerksam zu machen.

Ich glaube nicht, dass Künstler instrumentalisiert werden wollen für politische Botschaften oder Prozesse in der Gesellschaft. Es hängt vom jeweiligen Selbstverständnis des Künstlers ab, was die Intention ist, mit der er etwas macht, ob er sich eher als gesellschaftspolitisch motivierter Künstler versteht oder keine politische Botschaft vermitteln möchte. Ob und wie seine Kunst gesellschaftspolitisch gedeutet wird, hat allerdings kein Künstler in der Hand.

Sie arbeiten als Erziehungswissenschaftlerin. Welche Rolle nimmt Kunst denn in der Schule ein?

Symposium mit Workshops: Next Culture: Positionen transkultureller Bilder: Umordnung, 9.30 bis 17.30 Uhr, Kampnagel

Kunst ermöglicht den Kindern, in der Schule andere Ausdrucksmittel für das, was ihnen passiert, was sie denken, zu nutzen. Sie haben in der Kunst, sei es in der bildenden oder darstellenden Kunst, in Musik oder Literatur, die Möglichkeit, sich über verschiedenste Kanäle auszudrücken, indem sie zum Beispiel Theater spielen oder malen und sind nicht allein auf die Sprache beschränkt. So können Kinder verschiedene Formen der Selbstwirksamkeit erfahren, dadurch, dass sie merken, dass sie in der Lage sind, etwas zu schaffen, das andere begeistert.

Schafft die Schule als Ganzes diese Möglichkeit nicht?

Die klassische Schule, wie sie auch heute noch überwiegend strukturiert ist, mit eng getakteten Zeitabschnitten, einem auf nationale Verwertung hin orientierten Kanon und traditionellen Vermittlungsformen bietet wenig Raum, um individuelle Entfaltung und demokratische Bewusstseinsprozesse bei den Schülern anzuregen.

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