heute in hamburg: „Der FC St. Pauli war nie Teil des Arbeitersports“
Ausstellung: „Der andere Fußball. 100 Jahre Arbeiterfußball – 125 Jahre Arbeitersport“: ab heute bis 20. Dezember, FC-St.-Pauli-Museum, Heiligengeistfeld 1
Interview Kutaiba Bakier
taz: Herr Nagel, was war am Arbeiterfußball anders?
Christoph Nagel: Ich finde am Arbeiterfußball faszinierend, dass er eine andere Philosophie hatte. Es war den Frauen und Männern, die Arbeiterfußball gespielt haben, wichtig, den Sport stärker als Mittel der Gesundheitserhaltung der Gemeinschaft zu sehen. Das heißt, Erfolg um jeden Preis gehört nicht zum Gedanken hinter dem Arbeitersport und auch nicht zum Arbeiterfußball.
Warum wurde der Arbeitersport vergessen?
Das liegt zum einen an der langen Zeit und an den Gegnern des Arbeitersports. Der Arbeitersport hatte seine große Zeit bis 1933. Als Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, sind der Arbeitersport und damit auch der Arbeiterfußball verboten worden. Viele Arbeiterfußballer wurden verfolgt, verhaftet und umgebracht.
Welche Missverständnisse möchten Sie durch die Ausstellung aufklären?
Es ist wichtig zu wissen, dass der FC St. Pauli nie Teil der Arbeitersportbewegung war. Deswegen wurde er während der Zeit des Nationalsozialismus auch nicht verboten. Viele Menschen wissen heute gar nicht mehr, dass ein Arbeiterverein nicht einfach ein Verein ist, bei dem Arbeiter im Publikum oder unter den Mitgliedern sind.
Warum liegt Ihnen die Ausstellung persönlich am Herzen?
Sie ist für mich etwas Besonderes, weil die Ausstellung eine Kooperation ist. Die Inhalte der Ausstellung hat der Paderborner Kreis Arbeiterfußball recherchiert. Dabei habe ich selbst viel Neues gelernt.
Die Ausstellung steht im Kontext mit dem Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten „Sport macht Gesellschaft“. Was heißt das im Bezug auf den Arbeiterfußball?
Die Arbeiter wollten Gesellschaft machen, indem sie auch internationale Kooperation und Solidarität über den Sport erreicht haben, indem sie auch als Arbeiter untereinander solidarisch waren und so ein gesellschaftlicher Faktor geworden sind. Man sieht leider aber auch am Ende des Arbeitersports genau die andere Bedeutung von Macht, als der Nationalsozialismus die Gesellschaft radikal verändert und den Arbeitersport beendet hat. Man sieht, wie Sport politisch wird, wie gesellschaftliche Entwicklungen durch den Sport bewirkt werden können, aber auch wie gesellschaftliche Entwicklungen den Sport beeinflussen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen