heute in hamburg: „Diese Vielfalt ist keine Bedrohung“
Gespräch: „Integration und Zugehörigkeit neu denken“, 19.30 Uhr, Böckmannstraße 40, Eintritt frei
Interview Charlotte Dirkx
taz: Herr Czollek, was macht für Sie Zugehörigkeit aus?
Max Czollek: Zugehörigkeit ist für mich das Gefühl, mich mit einem Ort identifizieren zu können. Also: Ich gehöre dazu oder der Ort gehört zu mir.
Bedroht Vielfalt den Zusammenhalt?
Im Gegenteil! Ich glaube, die Gegenüberstellung von Vielfalt und Zusammenhalt steht im Widerspruch zum Selbstbild von Deutschland als einer pluralen Demokratie. Demos, das Volk – das sind ja immer viele. Plural ist also schon im Wort Demokratie enthalten. Wenn wir aber eine plurale Demokratie sind, dann basiert diese Demokratie auf der Vielfalt ihrer Bevölkerung. Das heißt, die Vorstellung, dass ein höheres Maß an Vielfalt eine Bedrohung für diese Demokratie darstellt, ist eigentlich ein undemokratischer Gedanke. Das, was die Demokratie bedroht, ist nicht Vielfalt, sondern sind rechte, völkische politische Positionen.
Wie funktioniert Integration in die gesellschaftliche Vielfalt?
Beim Integrationskonzept so, wie wir es heute kennen, maßt sich ein bestimmter Teil der Gesellschaft an, zu bestimmen, wer dazu gehört und wer nicht. Das Integrationskonzept basiert also gegenwärtig darauf, dass es eine dominante Position gibt, die die Definitionsmacht darüber hat, Minderheiten einzuschließen und auszuschließen.
Was ist das Problem an diesem Konzept der Integration?
Max Czollek, 32, Lyriker, Essayist und Kurator. Autor des Buches „Desintegriert euch!“.
Ähnlich wie die Vorstellung von gesellschaftlichem Zusammenhalt verfehlt die Integration damit die plurale Demokratie. Weil es nicht in der Lage ist, die Gesellschaft abzubilden, wie sie heute schon funktioniert und funktionieren soll – nämlich als radikal vielfältige Gesellschaft. Zur Erinnerung: Diese Vielfalt ist keine Bedrohung, sondern die Grundlage der Demokratie.
Was kann man tun, damit Integration gelingt?
Die Frage nach der Integration basiert auf problematischen Grundannahmen. Es geht eigentlich immer darum, dass Menschen sich zu integrieren haben, dass sie eine bestimmte Leistung vollbringen müssen. Ich würde anders darüber nachdenken: Zugehörigkeit bedeutet auch die Befähigung, teilzuhaben an der Gesellschaft. Die Frage ist dann, welche Leistungen die Gesellschaft und der Staat bereitstellen können, damit das Versprechen der Demokratie eingelöst wird, und das ist die Teilhabe möglichst aller Menschen an der Gesellschaft.
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